
Neue Notiz
Abschied von gestern
Wirtschaftswunderlandpanoptikum
Intelligent, witzig, auch lakonisch: ABSCHIED VON GESTERN von Alexander Kluge war unter den ersten der nach den Oberhausener Manifest-Regeln geförderten Filme und, 1966 in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet, der erfolgreichste.
Es begann eine aufregende, aber auch ziemlich anstrengende Zeit für uns Kinogänger, als vor fast 60 Jahren Opas Kino für tot erklärt und in Oberhausen die filmische Zeitenwende postuliert wurde. Wir durften nun nicht mehr romantisch glotzen, sondern waren angehalten, sozialpolitisch Stellung zu nehmen. ABSCHIED VON GESTERN von Alexander Kluge (Autor, Regisseur und Produzent) war unter den ersten der nach den Oberhausener Manifest-Regeln geförderten Filme und, 1966 in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet, der erfolgreichste. Es wird hier – intelligent, witzig, auch lakonisch kommentiert und von Edgar Reitz in schönste Schwarweißbilder umgesetzt - die sehr deutsche (wahre) Geschichte der Telefonistin Anita G. verhandelt. Und natürlich auch die der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre, als die sich so richtig noch nicht von ihrer Nazivergangenheit verabschiedet hatte. Anita, als Kind jüdischer Eltern in der DDR aufgewachsen, versucht nach ihrer Flucht „von drüben“ vergeblich, im fremden Westen zurechtzukommen, will es auch gar nicht, schlägt sich – als Krankenschwester, als Zimmermädchen, als Vertreterin einer Plattenfirma – irgendwie durch. Sie eckt an, ist widerständig, lügt – hinreißend naiv – und betrügt, bezirzt und stellt sich, wegen Diebstahls gesucht und von einem Ministerialrat geschwängert, schließlich der Polizei. Sie landet im Gefängnis, weil eben keine Wunder geschehen im Wirtschaftswunderlandpanoptikum, in dem Polizeiautos Walzer tanzen und außer eifrigen Hundeführern strenge Gattinnen sowie verblasene Professoren auftreten. Die Rolle der Anita spielt Alexandra Kluge, die kleine Schwester des großen Alexander, und es ist nur zu bedauern, dass sie nicht beim Film blieb, sondern Ärztin wurde. Ihr zuzuschauen lohnt allemal.
Deutschland 1966, 88 min
Genre: Drama
Regie: Alexander Kluge
Drehbuch: Alexander Kluge
Kamera: Thomas Mauch, Edgar Reitz
Schnitt: Beate Mainka-Jellinghaus
Verleih: rapid eye movies
Darsteller: Alexandra Kluge, Hans Korte, Günter Mack, Josef Kreindl, Alfred Edel
FSK: 16
Kinostart: 19.10.2023
Website
IMDB
Vorführungen
ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.