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Ein verborgenes Leben

Das Ewige und das Menschliche

Wie bei seinem allerersten Film, dem lyrischen BADLANDS (1973), ist das Vorbild auch hier eine wahre Geschichte. Franz Jägerstätter war ein österreichischer Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Als er zum Militärdienst eingezogen wird, verweigert er Hitler den Treueschwur.

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In seinem neunten Spielfilm EIN VERBORGENES LEBEN erzählt Regisseur Terrence Malick erneut ein von einem Paar, das eng mit der Natur verbunden ist und von der Dunkelheit, die die Menschen in die Welt gebracht haben, auseinandergerissen wird. Wie bei seinem allerersten Film, dem lyrischen BADLANDS von 1973, der lose auf den Charles Starkweather-Morden basierte, ist das Vorbild auch hier eine wahre Geschichte. Franz Jägerstätter war ein österreichischer Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Als er zum Militärdienst in der deutschen Armee eingezogen wird, erschüttert das seine spirituelle aber auch seine reale Welt. Er hat nie Kampfhandlungen erlebt, aber von Grausamkeiten gehört, die im Namen von Nazideutschland begangen werden. Er verweigert Hitler den Treueschwur.

Ausgehend von Jägerstätters Entschluss verhandelt der Film Fragen nach dem Glauben an das Gute im Menschen, Bedeutungen von Liebe und Opfer, und schließlich die Rolle der Kirche in Kriegszeiten. Die Natur spielt in EIN VERBORGENES LEBEN eine entscheidende Rolle, und der Kontrast der widerstreitenden Kräfte - hier das Ewige, dort die fragile, flüchtige Menschlichkeit des Paares - bildet den Kern des Films. Was das Ewige angeht, hat Franz Jägerstätter (August Diehl) keine Zweifel. Er ist eine treue Seele und ein gläubiger Christ. Wir sehen ihn als Ehemann seiner Frau Franziska, genannt Fani (Valerie Pachner), als Vater seiner drei Mädchen, als treusorgenden Sohn seiner alten, alleinstehenden Mutter (den Vater verlor er im vorhergehenden Krieg), als loyalen Bürger, Bauern, guten Freund
.
Nach Franz‘ Verhaftung bleibt Fani im Dorf zurück und muss sich um die drei Mädchen kümmern – voller Groll, dass Franz es gewagt hat, nach seinem eigenen Gewissen zu entscheiden. Er schafft es nicht, wegzusehen und zu tun was von ihm verlangt wird, sie muss gegen die eigene Natur ankämpfen, um ihn zu verstehen und ihm schließlich zu vergeben. Franz wird seine Entscheidung durchziehen, aber er braucht dazu ihre „Einwilligung“. Die erteilt ihm Fani bei ihrem letzten Besuch im Gefängnis, bei dem sie ihn eigentlich gemeinsam mit dem örtlichen Pfarrerkollegen und dem Pflichtverteidiger davon überzeugen wollte, die Widerrufserklärung zu unterzeichnen. Fanis erneuter Glauben an ihren Ehemann ist das ultimative Zeichen ihrer Liebe, und indem sie Franz versichert, dass sie auf seiner Seite ist, wie auch immer er sich entscheidet, erkennt sie den Kampf an, den er über den größten Teil des Films mit sich ausgefochten hat. Er wird mit ihren Wünschen für Glück und Liebe in den Tod gehen. So seltsam das scheinen mag, ist das für Malick der tiefste vorstellbare Akt der Liebe zwischen zwei Menschen.

Die Erzählung aus dem Off, die die Geschichte bestimmt, beginnt als Korrespondenz zwischen Franz und Fanny und wird nach und nach von Fanny übernommen. Der Film nimmt sich Zeit, um zu veranschaulichen, was für beide auf dem Spiel steht, und beleuchtet dabei vor allem die elende Position der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg, auf die Jean Renoirs Worte aus LA RÈGLE DU JEU zutreffen: „Das Schreckliche an diesem Leben ist, dass jeder seine Gründe hat.“ Sogar die Geistlichen haben Gründe, sich gegen christliche Ideale zu wenden und wegzuschauen. In dem er das Richtige tut, wird Franz Leid und Abweisung erfahren, schließlich wird er getötet werden und später von der gleichen Kirche, die für ihn weder Kraft noch Verständnis aufbrachte, selig gesprochen werden. Für Terrence Malick ist das „verborgene Leben“, mit dem Franz belohnt wird, jedoch nicht die nachträgliche Fast-Heiligsprechung, sondern das Wissen darum, dass seine ergebene Frau an seiner Seite geblieben ist und ihn genug geliebt hat, um ihn zu verlieren.

Tanja Bresan

Details

Originaltitel: A Hidden Life
USA 2019, 173 min
Sprache: Englisch, Deutsch, Italienisch
Genre: Drama, Biografie
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
Kamera: Jörg Widmer
Schnitt: Rehman Nizar Ali, Sebastian Jones
Musik: James Newton Howard
Verleih: Pandora
Darsteller: Matthias Schoenaerts, August Diehl, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, Martin Wuttke, Tobias Moretti
FSK: 12
Kinostart: 30.01.2020

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