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Die Linie (2022)

Abstand halten

Nach einem gewalttätigen Ausbruch, bei dem sie ihre Mutter Christina (Valeria Bruni Tedeschi) verletzt hat, darf sich die 35-jährige Margaret (Stéphanie Blanchoud) dem Elternhaus nur noch auf 100 Meter nähern.

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Die Filme von Ursula Meier setzen sich immer wieder mit dysfunktionalen Familien auseinander, sei es die Familie am Rande des Wahnsinns in ihrem eindrucksvollen Debüt HOME, die auf sich allein gestellten Geschwister in WINTERDIEB oder das Tagebuch eines Elternmörders in ihrem Beitrag zur Reihe „Shock Waves“. Auch das Verhältnis zwischen der 35-jährigen Margaret (Stéphanie Blanchoud) und ihrer alleinerziehenden Mutter Christina (Valeria Bruni Tedeschi) ist gestört. Das wird gleich zu Beginn in einer vierminütigen Eröffnungssequenz überdeutlich. In der erleben wir in Zeitlupe, wie die rasende Tochter die familiäre Wohnung zerlegt und schließlich ihre Mutter niederschlägt, bevor sie gewaltsam aus dem Haus geworfen wird und im Schnee landet. Die Mutter, eine selbstverliebte Pianistin, ist fortan auf einem Ohr taub, die Tochter ohne Wohnsitz. Sie wird dazu verurteilt, dem Elternhaus auf 100 Meter fernzubleiben. Immer wieder nähert sie sich jedoch, bis die jüngere Schwester Marion (Ellie Spagnolo) schließlich eine Linie um das Haus zieht, an der Margaret Tage und Nächte verbringt.

Die 12-jährige Marion hat am meisten unter den familiären Spannungen zu leiden. Die mittlere Schwester Louise (India Hair) ist mit Zwillingen schwanger und kann sich nicht auch noch um sie kümmern. So dreht sich die Welt der Geschwister um das Leiden der Mutter und ihre passive Aggressivität, mit der sie die Familie zu Grunde richtet. Das ist anstrengend gut gespielt von der großartigen Valeria Bruni Tedeschi. Auch ohne zeitliche Rückgriffe begreift man die Dynamiken, die das familiäre Gefüge zu diesem Punkt getrieben haben. Im Kern steht der Konflikt zwischen Margarets Wunsch nach Nähe und dem Impuls zur Flucht der anderen Familienmitglieder. Regisseurin Ursula Meier sucht nach einem Mittelweg, aber ist der bei allem gegenseitig zugefügten Schmerz überhaupt möglich?

Lars Tunçay

Details

Originaltitel: La Ligne
Schweiz/Frankreich/Belgien 2022, 100 min
Genre: Drama
Regie: Ursula Meier
Drehbuch: Ursula Meier, Antoine Jaccoud, Stéphanie Blanchoud
Kamera: Agnès Godard
Schnitt: Nelly Quettier
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Stéphanie Blanchoud, Valeria Bruni Tedeschi, Elli Spagnolo, Dali Benssalah, India Hair
FSK: 12
Kinostart: 18.05.2023

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