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Anselm – Das Rauschen der Zeit

Schwere Kunst

Seit einem halben Jahrhundert macht Anselm Kiefer in jeder Hinsicht schwere Kunst. Wim Wenders Film zeigt technisch aufwändige Kamerafahrten durch Kiefers stadtgroße Studios.

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Seit einem halben Jahrhundert macht Anselm Kiefer in jeder Hinsicht schwere Kunst: Tableaus und Skulpturen in monumentaler Größe, vorzugsweise aus Blei, mit Zitaten versehen von Paul Celan, Martin Heidegger, Ingeborg Bachmann. Verbrannte Erde, Konzentrationslager, zerbombte Städte als Bildmotive. Dazu Einsprengsel aus der Bibel, der Kabbala oder der griechischen Mythologie.
Leicht ist Wim Wenders Film über Kiefers Schaffen dementsprechend auch nicht, aber so frei, wir kaum ein Künstler*innenfilm es schafft zu sein. Das gelingt ihm erst einmal durch Verzicht. Keine Eltern, die ein immerzu zeichnendes Wunderkind beschreiben, kein ebenso etablierter Kollege, der die gemeinsame Unangepasstheit beschwört, keine Galeristin, die betont, wie politisch das doch alles sei.
Stattdessen technisch aufwändige Kamerafahrten durch Kiefers stadtgroße Studios, Assistenten mit Flammenwerfer und Schweißgerät, prägnante Ausschnitte aus Fernsehberichten, die Karrieresprünge und Kontroversen schildern.
Zwischendurch tritt dann doch ein zeichnender Wunderknabe auf (Anselm Kiefer als Kind, gespielt von Anton Wenders) und verwandelt die ansonsten in jeder Hinsicht hochwertige Produktion in ein ARD-Historiendrama. Aber wenn der kleine Anselm vom echten Kiefer auf den Schultern getragen wird oder ihm ein Gedicht von Celan vorliest, klingt das schlimmer als es ist. Denn der Großteil des Films gehört Kiefers gebauter Welt, einem ruinösen Gesamtkunstwerk, dass er an verschiedenen Standorten im Odenwald und in Frankreich errichtet hat.
Es kann einem schlecht werden in dieser Welt ohne Menschen, in der die Trümmer ewig liegen und das Wissen unlesbar in Büchern aus Blei verwahrt bleibt. Doch wenn man sich mit Kiefers Welt auseinandersetzen will, dann in diesem Film.

Yorick Berta

Details

Originaltitel: Anselm
Deutschland 2023, 93 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Wim Wenders
Kamera: Franz Lustig
Schnitt: Maxine Goedicke
Verleih: DCM Film Distribution
Kinostart: 12.10.2023

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