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Wonka

Tanz der Süßigkeiten

In WONKA erfindet Paul King (PADDINGTON) eine Vorgeschichte zum Kinderbuch „Charlie and the Chocolate Factory“, eine Art Tanz der Süßigkeiten mit Willy Wonka als Zeremonienmeister.

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Paul King (PADDINGTON 1 und 2) hat in seinem Musical WONKA eine Fantasy-Welt entworfen, die an die Romane von Charles Dickens erinnert, mit kapitalistischen Ausbeutern, armen Waisenkindern, Arbeiterinnen mit einem goldenen Herzen, einer solidarischen Schicksalsgemeinschaft, pittoreskem Elend, Überfluss und Wunscherfüllung.

An einem langen Pier einer vage europäisch wirkenden Stadt in einer Zeit, die an die 1930er/1940er Jahre erinnert, geht ein junger Willy Wonka (Timothée Chalamet) an Land. In der Tasche seines lilafarbenen Samtrocks hat er 12 Sovereigns und im Kopf den Traum, den besten Schokoladenladen der Welt an der besten Adresse der Stadt zu eröffnen. Doch gleich im Verlauf des ersten Songs verschenkt, verspielt und verliert Wonka sein ganzes Geld, und plötzlich mittellos landet er in den Fängen der diabolischen Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) und ihres schmierigen Assistenten Bleacher (Tom Davis). Die beiden Schurken vermieten billige Zimmer und treiben ihre ahnungslosen Opfer dann mit den Nebenkosten im Kleingedruckten in den Ruin.

Ihre horrenden Schulden müssen diese dann in der Wäscherei im Keller abarbeiten. Dort trifft Wonka auf eine bunte Gesellschaft der Ausgeschlossenen: das Waisenmädchen Noodle (Calah Lane), den Buchhalter Abacus Crunch, die Klempnerin Piper Benz und die Telefonistin Lottie Bell. Gemeinsam mit Noodle schmiedet er einen Plan, wie er sein Schokoladenparadies aufbauen und die Lohnsklaven in der Wäscherei befreien kann. Darüber hinaus ist ein Triumvirat aus bösartigen Schokoladenfabrikanten hinter seinem Kopf und ein Abgesandter der grünhaarigen Oompa Loompa (die etwas pampig veranlagt sind und alle von einem Miniatur-Hugh Grant verkörpert werden) hinter seiner Schokolade her.

King inszeniert WONKA mit einer überbordenden Liebe für magische und komische Details. So trägt Wonka in seinem kleinen Köfferchen eine ganze Miniaturschokoladenfabrik mit sich herum, und das Kleingedruckte in Mrs. Scrubbits Mietvertrag misst mehrere Meter Papier. Ein Handlungsstrang, in dem unsere Held*innen in einen Tresor einbrechen müssen, sieht aus wie die manischen Strategiesequenzen von Wes Anderson, und wenn Wonka neue Süßigkeiten erfindet oder anpreist führt das zu charmanten Tanzchoreografien, die mit ihren Regenschirmen, fliegenden Bonbons und Bürger*innen an MARY POPPINS erinnern.

Episodenhaft hangelt sich der Film von Abenteuer zu Abenteuer, von Song zu Song. Obwohl auch hier verlorene Eltern und eine neue Wahlfamilie eine Rolle spielen, lässt einen das anders als in PADDINGTON ziemlich kalt. Willy Wonka ist zu sehr eine immer fröhliche, immer überlegene Kunstfigur, um viel Mitgefühl hervorzurufen, und Waisenkind Noodles ist viel zu dünn charakterisiert. Einzig Sally Hawkins schafft es in den wenigen Szenen als Wonkas verstorbene Mutter, etwas Wärme zu verbreiten. Von der Tonlage her ist WONKA damit ziemlich dicht an Roald Dahls Kinderbuch „Charlie and the Chocolate Factory“, in dem der kleine, bitterarme Charlie Bucket in Serie magische und haarsträubende Vorkommnisse in Willy Wonkas berühmter Schokoladenfabrik erlebt.

In WONKA erfindet King eine Vorgeschichte zum Kinderbuch/Film. Er erzählt, wie Wonka sich gegen seine Konkurrenten Prodnose, Fickelgruber und Slugworth durchsetzt und mit seinem Schokoladenimperium zum Marktführer wird, wie es zu der Zusammenarbeit mit den Oompa Loompa kommt, und auch ein allererstes „Goldenes Ticket“ taucht auf - vor allem aber inszeniert King eine rasante, virtuos orchestrierte Achterbahnfahrt durch magische und haarsträubende Ereignisse, eine Art Tanz der Süßigkeiten mit Wonka-Chalamet als Zeremonienmeister. Dabei jongliert er auch auf eine interessante Art mit seinen Motiven: Schokolade ist bei ihm Währung, Kapital, Seelennahrung, Droge und eine Metapher für geteiltes Glück. Sie ist Zankapfel und Verbindungsstück, tödliche Gefahr und Erlösung in einem. Der große Traum, von dem immer wieder betont wird, dass man an ihm festhalten soll, hat mehrere Seiten.

Hendrike Bake

Details

USA 2023, 116 min
Genre: Familienfilm, Fantasy, Literaturverfilmung
Regie: Paul King
Drehbuch: Simon Farnaby, Paul King
Verleih: WARNER
Darsteller: Timothée Chalamet, Keegan Michael-Key, Sally Hawkins, Rowan Atkinson, Olivia Colman
Kinostart: 07.12.2023

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