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Undine

Herz der Stadt

Der Zauber von Petzolds Verfilmung der Sage liegt in der Alltäglichkeit, mit der er Prosaisches und Magisches vermischt.

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Berlinale Wettbewerb: Zugegeben, ich hatte mir ein bisschen Sorgen gemacht. Sowohl in TRANSIT als auch in PHOENIX waren es die mysteriösen, verschwindenden Frauen, die mehr Idee als Person waren, die ich am wenigsten mochte, und nun kommt ein Film über den Wassergeist Undine – eine Nymphe, die nur eine Seele bekommt, wenn sie geliebt wird. Doch die Sorgen waren unbegründet, Paula Beer als Wasserwesen Undine ist sehr präsent und sehr gegenwärtig. In der ersten Szene sitzt sie im Café, kurz zuvor muss das Gespräch stattgefunden haben, in dem ihr Freund Johannes (Jacob Matschenz) ihr die Trennung mitgeteilt hat. „Das kannst du nicht“, sagt sie, „Du weißt, dass ich dich töten muss, wenn du gehst“, und so wie Paula Beer das sagt, klingt es beinahe alltäglich, wie die Worte einer sehr verletzten Frau, die gerade verlassen wurde, an einem grauen Berliner Tag.

Der Zauber von Petzolds Verfilmung der Sage liegt eben in jener Alltäglichkeit. Undine ist Historikerin und erklärt Besuchergruppen des Senats anhand der Modelle im Märkischen Museum die Stadtentwicklung. Die Entstehung der sozialistischen Prunkbauten an der ehemaligen Karl-Marx-Allee beispielsweise, die Weiterentwicklung der Stadt nach dem Zusammenbruch der DDR – „Manche nennen es Revolution“ - oder die Geschichte des Berliner Stadtschlosses, seine Lage am Rand der Stadt und graduelle Verschiebung zu einem zentralen Ankerpunkt der Stadtgestaltung. Undine íst verwoben mit der Stadt Berlin, deren Name slawischen Ursprungs ist und „Sumpf“ bedeutet oder auch „trockene Stelle“ im Sumpf, wie sie in einer Führung erläutert. Vielleicht ist Undine so etwas wie die Mitte der Stadt, von der man nicht exakt sagen kann, wo sie liegt. Vielleicht muss die Stadt wie Undine geliebt werden, damit sie eine Seele bekommt, und rächt sich, wenn man sie verrät oder verkauft.

Die wissenschaftlichen Vorträge tragen zum bewusst trockenen Sound des Films bei. Auch sonst herrscht Sachlichkeit. Die Farben sind klar und eher kalt, die Jahreszeit dazwischen und die Tageszeit um die Mittagsstunde herum. Es ist weder sonnig noch düster. Die Orte sind erkennbar aber nicht spektakulär: das Café am Märkischen Museum, eine Wohnung in den Hochhäusern am Alex, eine S-Bahnstation, der Hauptbahnhof. Die Dialoge sind knapp und umfassen nur das Nötigste - aber das Nötigste kann auch poetisch sein. So wie Christophs (Franz Rogowski) Arbeit als Industrietaucher. Undine lernt ihn bei einer Führung kennen und Christoph stellt sich als der treue Freund heraus, der Undines Seele hätte retten können, aber ist es dafür schon zu spät?

UNDINE ist Christian Petzold bisher verspieltester Film, sogar ein ziemlich guter Witz hat es ins Skript geschafft. Dabei liegt Teil des Spaßes aber gerade in der wie immer der großen Ernsthaftigkeit, mit der Petzold erzählt, und dabei keine Unterscheidungen zwischen Prosaischem und Magischen trifft. Wenn sich vor Christophs Visier im schlammigen Wasser ein Wesen abzuzeichnen beginnt, dann ist es mal ein Wassergeist, aber manchmal auch ein besonders dicker Wels.

Hendrike Bake

Details

Deutschland/Frankreich 2020, 89 min
Genre: Drama
Regie: Christian Petzold
Drehbuch: Christian Petzold
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Paula Beer, Franz Rogowski, Jacob Matschenz
FSK: 12
Kinostart: 02.07.2020

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IMDB

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