Kurz nach dem Fall der Mauer will die New Yorker Journalistin Ruth endlich mehr über ihre Herkunft erfahren. Die Eltern stammen aus Polen und haben Auschwitz überlebt, mehr weiß sie nicht, und mehr Familie gibt es nicht. Die Mutter ist kürzlich verstorben, nun überredet sie ihren Vater Edek, mit ihr an die Orte seiner Vergangenheit zu reisen. Edek kommt widerwillig mit, um die Tochter zu beschützen, aber ihre Entdeckersehnsucht teilt er nicht. Er unterläuft Ruths Reisepläne und lenkt sie weg von Orten, die ihm zu schmerzhaft sind. Doch auch die Tochter ist hartnäckig.
Die Reise führt über Warschau, wo die Eltern ins Ghetto gesperrt wurden, in ihre Heimatstadt Lodz in eine Wohnung, die den Großeltern gehörte und nun von anderen bewohnt wird, und schlussendlich nach Auschwitz. Vater und Tochter ringen um den Umgang mit Erinnerung und Trauma und reiben sich an ihren unterschiedlichen Bewältigungsstrategien. Ruth will endlich sehen und wissen, ihr Erbe verstehen und die Leerstellen in ihrer eigenen Biografie füllen. Edek will den Schmerz überleben. Die Konfrontation mit dem Teil seines Lebens, der zerstört wurde, verlangt ihm alles ab. Liebevoll und mit viel Verständnis für beide Positionen erzählt Julia von Heinz nach dem autobiografischen Roman von Lily Brett eine Geschichte von langsamer Annäherung, dem Durchbrechen von Schweigen und vorsichtigem Neubeginn.
Manchmal kommen ein Film und eine Rolle für einen Schauspieler genau zum richtigen Zeitpunkt. Das ist hier bei Stephen Fry passiert. Der legendäre britische Komiker, der sich im aktuellen gesellschaftlichen Klima bewusst auch öffentlich stark mit seiner jüdischen Herkunft auseinandersetzt, ist eine Traumbesetzung für Edek, eventuell hat Julia von Heinz ihm mit der Rolle ein Geschenk gemacht. Beleibt und graubärtig verkörpert er glaubhaft den polnischen Exiljuden, spricht Polnisch und ein so schönes gebrochenes Englisch, dass sich unbedingt die Originalfassung anzusehen lohnt. Lena Dunham gibt Ruth Power und Verletzlichkeit. Beide Hauptdarsteller sind so spürbar persönlich berührt, dass es dem Film eine besondere Kraft verleiht.

Susanne Stern