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Transit (2018)

Exilanten in Marseille

Christian Petzolds Verfilmung von Anna Seghers Flucht- und Exilroman verortet den 1942 spielenden Roman über deutsche Geflüchtete, die in Marseille auf Papiere für die Emigration warten, im Marseille der Gegenwart.

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Christian Petzolds Verfilmung von Anna Seghers Flucht- und Exilroman riskiert viel und gewinnt auf ganzer Linie. Den 1942 spielenden Roman über deutsche Geflüchtete, die in Marseille auf Papiere für die Emigration warten, vor allem auf die wichtigen Transitpapiere, die ihnen das Anlaufen von Häfen in Ländern ermöglichen, für die sie keine Einreisepapiere besitzen, ohne historisierende Kostüme im heutigen Frankreich spielen zu lassen: das hätte leicht schiefgehen und wie eine alberne Holzhammerpointe wirken können. Tatsächlich gewinnt Seghers Vorlage eine ungeheure Direktheit und Dringlichkeit, ohne dass der Film je so tut, als handele es sich um etwas anderes als eine filmische Interpretation des Buches.

Die Orte bleiben so real wie die Geschichte, aber die Erzählung verschiebt sich und macht sich spürbar. In die Geschichte der Odyssee des deutschen Emigranten Georg, hinreißend gespielt von Franz Rogowski, flicht Petzold immer wieder Anachronismen ein. Der Off-Kommentar, den man als Stimme des Romans (und der Vergangenheit) wahrnimmt, spricht plötzlich über einen Zombie-Film, der in einer Shopping Mall spielt. Georg transportiert Briefe, die in Sütterlin-Handschrift geschrieben sind und so vergilbt wirken, als seien sie 70 Jahre alt. Die Zeiten berühren sich in der Erzählung, zugleich wird der Blick auf die Konstanten gelenkt. TRANSIT ist ein sonnendurchfluteter Film. In diesem Licht hat der verzweifelte Walter Benjamin den Weg über die Pyrenäen nach Portugal versucht und sich auf der spanischen Seite in Port Bou das Leben genommen. Der schwierige Fluchtweg wird mehrmals im Film erwähnt. „Das ist doch Wahnsinn“ sagt Georg zu jemandem, der es versuchen will.

Georg hat genau eine Chance, unter falscher Identität auszureisen. Er findet zwei Visa für Mexico in Briefen, die er an den Schriftsteller Weidel ausliefern sollte, der aber bereits tot ist, als Georg in seinem Hotelzimmer steht. In Marseille verstrickt sich Georg in eine Liebesaffäre ausgerechnet mit Weidels Witwe Marie (Paula Beer), die ihren Mann verlassen hat und mit einem Arzt nach Mexico ausreisen will. Sie wartet auf genau die Visa, die Georg in der Tasche hat. Das ist der Kern der Geschichte, aber wichtiger sind die Details: die Furcht vor dem Verhalten der Alltagsfranzosen, die mit der Besatzungsmacht kooperieren. Die Omnipräsenz der einheimischen Polizei, die für die Deutschen „Säuberungen“ durchführen und jeden „Illegalen“ sofort verhaften. Die flüchtigen Begegnungen mit anderen Menschen in ähnlichen Situationen, die Selbstmorde der Verzweifelten. Die Täuschungen, die das Überleben erst möglich machen.

TRANSIT gelingt das Kunststück, sehr genau von der deutschen Exilerfahrung zu erzählen, während aktuelle Bezüge mitschwingen.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Transit
Deutschland/Frankreich 2018, 101 min
Sprache: Deutsch, Französisch
Genre: Drama
Regie: Christian Petzold
Drehbuch: Christian Petzold
Kamera: Hans Fromm
Schnitt: Bettina Böhler
Musik: Stefan Will
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Franz Rogowski, Lilien Batman, Paula Beer, Godehard Giese
FSK: 12
Kinostart: 05.04.2018

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