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Grosse Freiheit

Im Knast wegen §175

Vom KZ direkt in den Knast: Hans Hoffmann (Franz Rogowski) ist schwul und das ist in der BRD der Nachkriegszeit noch ein Verbrechen. Dort trifft er auf Viktor (Georg Friedrich), der wegen Mordes sitzt.

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Vom KZ direkt in den Knast: Freiheit ist relativ im Leben von Hans Hoffmann (Franz Rogowski). Sie bedeutet für den jungen, ausgezehrten Mann in erster Linie, sich selbst treu zu bleiben und seine Liebe zum gleichen Geschlecht zu leben, egal wo, egal wie, auch wenn er dafür immer wieder hinter Gittern landet. Denn straffrei ist Homosexualität unter Erwachsenen in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange nicht. Erst 1969 wird der berüchtigte Paragraf 175 reformiert, der bis dahin sexuelle Handlungen unter Männern als Verbrechen ahndet. So lange sind die dreckigen Wände, schmalen Räume und trostlosen Korridore der Haftanstalt die Welt, in der sich Hans ein wahres Leben im Falschen einrichtet.

Und auch Viktor (Georg Friedrich), der wegen Mordes sitzt, hat sich mit seinem Schicksal abgefunden. Er ist der Harte, der Hetero, ein Mann fürs Grobe, der das Tätowieren zu seiner Kunst erklärt hat und zunächst nichts mit einem wie Hans zu tun haben will. Aber als sich die Begegnungen häufen, weil Hans aufgrund seiner sexuellen Neigungen im Bau zum Stammgast wird, gewinnen die beiden Männer langsam Vertrauen zueinander. Dass daraus schließlich eine innige Nähe, ja eine tiefe Zuneigung wird, die ganz und gar glaubhaft erscheint, ist dem feinen Zusammenspiel der beiden Ausnahmeschauspieler im Zentrum der Geschichte zu verdanken, die Sebastian Meises präzise beobachtetes und tief bewegendes Drama erst zu dem machen, was es ist: nämlich eine der schönsten Entdeckungen dieses ohnehin aufregenden Kinojahres.

Dabei tappt die Geschichte über lange Strecken im Dunkeln, immer wieder bestimmen schwere Blau-, Grau und Schwarztöne das Geschehen. Und doch gelingt es dem Regisseur und seiner Kamerafrau Crystel Fournier auch, ein Gefühl von Hoffnung und Autonomie in den Bildern zu finden, Kontraste zu schaffen und Akzente zu setzen, wo kaum Schatten zu sehen sind. Als der Paragraf 175 endlich fällt, wird Hans übermütig und Viktor trifft die Verzweiflung. Der eine geht, der andere bleibt. Nur ist die große Freiheit allein nach all den Jahren zu zweit auch längst nicht mehr das, was sie einmal war.

Pamela Jahn

Details

Österreich/Deutschland 2020, 116 min
Genre: Drama
Regie: Sebastian Meise
Drehbuch: Thomas Reider, Sebastian Meise
Kamera: Crystel Fournier
Schnitt: Joana Scrinzi
Musik: Peter Brötzmann, Nils Pretter Molvaer
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Franz Rogowski, Georg Friedrich Anton von Lucke, Thomas Prenn, Ulrich Faßnacht
FSK: 16
Kinostart: 18.11.2021

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