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EO

Fürsorge und Grausamkeit

EO von Jerzy Skolimowski erzählt die Geschichte eines Esels, der stumm und störrisch, verschiedene Besitzverhältnisse druchläuft: Zirkus, Streichelzoo, Tierarzt, Gestüt, Schlachthaus.

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EO von Jerzy Skolimowski, der zusammen mit ACHT BERGE den diesjährigen Preis der Jury beim Cannes Filmfestival gewann, handelt von einem Esel. Dieser Esel durchlebt stumm und störrisch, wie Esel eben sind, verschiedene Besitzverhältnisse: Zirkus, Streichelzoo, Tierarzt, Gestüt, Schlachthaus, um nur die naheliegendsten Erfahrungen eines Nutztiers zu nennen. EO ist eine Hommage an Robert Bressons eigentümlichen Film AU HASARD BALTHASAR von 1966; auch dieser dreht sich um einen Esel als passiven Akteur, der gerade durch diese Passivität die ihn umgebenden Menschen als neurotisch, brutal und durchgehend absurd entlarvt.

Gegenüber Balthasar wirkt der Esel Eo vermenschlichter, er spricht zwar nicht, doch verfügt er über Motivationen, die Balthasar fremd zu sein schienen. Die Verweigerung BALTHASARS, einen handelnden Helden zu zeigen, wird in der Neuauflage abgeschwächt. In vielen Szenen und Schnitten bietet Skolimowski eine Interpretation von Eos Handlungen nach menschlichem Vorbild an. Gleichzeitig ist EO aber auch radikaler auf die tierische Erfahrung fokussiert. Alle menschlichen Schauspieler*innen sind kurzlebige Nebenfiguren, die auftauchen und vergehen, ohne dass sich ihr Charakter bestimmen oder moralisch bewerten ließe. Eo erlebt Fürsorge und Grausamkeit, doch oft auch eine Mischung aus beidem. Dieser Graubereich, in dem sich die Erzählung bewegt, wird durch surrealistische Einstellungen und eine markante Filmmusik unterstützt.

Zu den eindrücklichsten Szenen gehört ein Traum des schwer verletzten Esels, in dem ein vierbeiniger Roboter von Boston Dynamics durch eine schwarz verspiegelte Welt stakst. EO ist ein Ausgriff in eine bizarre, nichtmenschliche Welt – ohne aber vor den anthropozentrischen Strukturen die Augen zu verschließen, in denen Tieren als lebenden und leidenden Ressourcen sehr begrenzte und schockierende Plätze zugewiesen werden.

Yorick Berta

Details

Polen 2022, 86 min
Genre: Drama
Regie: Jerzy Skolimowski
Drehbuch: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski
Kamera: Michal Dymek
Schnitt: Agnieszka Glinska
Musik: Pawel Mykietyn
Verleih: rapid eye movies
Darsteller: Sandra Drzymalska, Mateusz Kosciukiewicz, Tomasz Organek, Sophia Loren, Isabelle Huppert
Kinostart: 22.12.2022

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