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Die Unbeugsamen II – Guten Morgen, Ihr Schönen!

Gleichberechtigung in der DDR

In DIE UNBEUGSAMEN (2000) hat Torsten Körner die erste Generation Politikerinnen der Bonner Republik porträtiert. Der zweite Teil stellt die Frage, wie es mit dem politischen und gesellschaftlichen Einfluss der Frauen in der DDR aussah.

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In DIE UNBEUGSAMEN (2021) hat Torsten Körner die erste Generation Politikerinnen der Bonner Republik und ihren Kampf um Teilhabe an der Macht porträtiert. Konsequenterweise folgt nun der zweite Teil der Recherche: Der Blick in den anderen Teil Deutschlands und die Frage, wie es mit politischem und gesellschaftlichem Einfluss der Frauen in der DDR aussah. Eine große Fülle an Archivmaterial lässt mit unterschiedlichsten „Zeitkapseln“ das Land wieder aufleben - für in der DDR Aufgewachsene vermutlich alte Hüte, für mich als Westlerin waren viele Entdeckungen dabei.
Herzstück des Films sind wie im ersten Teil die Gespräche mit sehr unterschiedlichen Frauen und bei einigen schon verstorbenen mit ihren Töchtern. Schriftstellerin Katja Lange-Müller, Tochter von Inge Lange, der ersten Frau und Quasi-Frauenministerin im ZK und Brunhilde Hanke, über zwanzig Jahre lang Oberbürgermeisterin von Potsdam, sind die einzigen Porträtierten mit konkreten Erfahrungen in der staatlichen Politik. Eine Grundfrage des Films ist damit schon beantwortet: Politische Teilhabe von Frauen, die mehr war als Symbolpolitik, gab es im angeblich gleichberechtigten Sozialismus noch weniger als in der BRD.
Ganz anders war die Lage in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Eine schlagkräftige LPG-Vorsitzende und eine Metallurgin berichten von ihren Wegen in Berufen, die als Männerdomänen galten. Viel Raum gibt der Film den Künstlerinnen, die mehr sein wollten als gut funktionierende Heldinnen der sozialistischen Arbeit. Tina Powileit, Schlagzeugerin der ersten Frauenrockband der DDR, Schauspielerin Katrin Sass, Amrei Bauer, Tochter der Malerin Annemirl Bauer, und die zeitweise inhaftierte Performancekünstlerin Gabriele Stötzer erzählen vom Leben zwischen Freiräumen, die man mutig erobern konnte, und teilweise brutalen Begrenzungen. Dabei spielt die Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen genauso eine Rolle wie die staatliche Gängelei.
Spannend ist die Heterogenität der Positionen. Körner interessiert sich für die Komplexität, lässt Raum für Ambivalenzen auch innerhalb der Gespräche mit einzelnen Frauen. Deren Erinnerungen sind bemerkenswert differenziert und frei von Schwarz-Weiß-Malerei. Viele Gesichtspunkte stehen nebeneinander, ergänzen und widersprechen sich auch mal. Einig sind sich die Interviewten, dass die selbstverständliche Berufstätigkeit der Frauen in der DDR eine gute Sache war fürs Selbstbewusstsein.

Susanne Stern

Details

Originaltitel: Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!
Deutschland 2024, 104 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Torsten Körner
Drehbuch: Torsten Körner
Kamera: Anne Misselwitz
Schnitt: Sandra Brandl
Musik: Cassis Birgit Staudt
Verleih: Majestic Filmverleih
Kinostart: 29.08.2024

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