Neue Notiz
Des Teufels Bad
Oberösterreich im Jahr 1750: Ein Karpfenteich reflektiert das Grau des Himmels. Ein tiefer, dunkler Wald schluckt das Sonnenlicht. Eine Hingerichtete wird auf einem Hügel zur Schau gestellt. Zum Beweis. Als Warnung. Ein Omen? Die tiefreligiöse und hochsensible Agnes betrachtet die tote Frau mit Mitleid. Auch mit Sehnsucht, denn sie fühlt sich fremd in der Welt ihres Mannes Wolf, in die sie frisch eingeheiratet hat. Eine gefühlskalte Welt voller Arbeit, Verrichtungen und Erwartungen. Immer mehr zieht sich Agnes zurück. Immer enger wird ihr inneres Gefängnis, immer erdrückender ihre Melancholie. Ein Gewaltakt scheint ihr bald der einzige Ausweg.
Was für ein Film! Im Wettbewerb hatte ich nach zahlreichen Filmen, die eigentlich eher ins Forum gehörten, hätten sie nicht die ein oder anderen Stars, und ordentlichen Essay-Filmen, die ganz gut auf Diskussionsveranstaltungen von kommunalen Kinos aufgehoben wären, nicht mehr viel erwartet. DES TEUFELS BAD ist von Veronika Franz und Severin Fiala ist ein Meisterwerk. Am ehesten gehört es zum Genre des Folk Horrors, aber die Folklore ist hier einfach der österreichische Katholizismus, der Horror keine übernatürliche Kreatur, sondern das Leben in einer Welt, die dem Unglück keinen Platz zugewiesen hat.
Die Welt, das ist hier ein niederösterreichisches Tal. DES TEUFELS BAD beginnt mit einem Kindesmord. Die Sonne scheint und glitzert auf den Gräsern, in dem ein Baby in der Wiege liegt, im Hintergrund ein gedrungenes Steinhaus, der Schornstein raucht, ein Junge spielt. Die Mutter schickt ihn ins Haus, nimmt das Kind aus der Wiege, geht durch den Wald, legt dem weinenden Kind eine Kette um und steht schließlich hoch oben in einem Wasserfall. Ein so wuchtiges Kinobild wie dieses war auf der Berlinale bisher nicht zu sehen. Sie wirft das Kind in den Abgrund. In der nächsten Einstellung läuft sie über eine nebelverhangene Brücke auf ein burgartiges Gebäude zu – ein Bild das Murnaus NOSFERATU würdig wäre. Sie klopft an die Tür, die sich öffnet: „Ich habe etwas zu gestehen“.
Agnes, eine junge Bauersfrau, webt einen herbstlichen Kranz. Es ist ihr Hochzeitstag mit Wolf, dem zweitältesten Sohn einer Bauersfamilie. Er wird den Kranz später achtlos zur Seite werfen. Alles dreht sich um das Kinderkriegen. Symbolisch wird sie in Ammentracht gekleidet und eine Alte legt ihr ein Bündel in den Schoß. Aber ihr Mann rührt sie im Bett nicht an, er masturbiert nur neben ihr. Für Agnes zerbricht die Welt.
Franz/Fiala vermeiden jedes Klischee. Die Dorfbewohner sind keine Unmenschen. Auf ihre Weise meinen sie es gut mit Agnes. Agnes ist verträumt, sammelt Schmetterlinge und Blumen: „Schau mal, wie das glitzert“ sagt sie zu Wolf. „Ja, Fischschuppen“ sagt der unbeeindruckt. Franz und Fiala bebildern die Welt wie Agnes sie sehen könnte – das Moos, das Dickicht, der Nebel über dem Tal, die Wies weiß und grün. Der Schlamm im Fluss, aus dem die Bauern Karpfen fischen, die Fischköpfe wie Dämonen, die Kirche auf Knien gefilmt wie das Haus des Herrgotts, der verdammen und erlösen kann. Einer hat sich umgebracht im Dorf, der darf nicht begraben werden. Seine Leiche fault auf einem dürren Acker, und Agnes Seele verdüstert sich mit. Der Tod ist kein Ausweg, nur ein Weg in das ewige Elend.
DES TEUFELS BAD ist eine Wucht von einem Film, mit einem filmischen Furor gedreht, der die mittelmäßigen Fernsehbilder und die unwesentlichen und unmenschlichen Witzeleien einer idiotischen Nichtigkeit wie STERBEN vergessen lässt und aus dem Gedächtnis fegt. Der Film hat die körperliche Kraft der Filme von Jacques Audiard (DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN), das visuelle Pathos der Filme von John Ford, das Gespür für Atmosphäre und Natur von Friedrich Murnau.
Österreich 2024, 121 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama, Historienfilm
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
Drehbuch: Veronika Franz, Severin Fiala
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Michael Palm
Musik: Anja Plaschg
Verleih: Plaion Pictures
Darsteller: Anja Plaschg, Maria Hofstätter, David Scheid, Elias Schützenhofer
Kinostart: 14.11.2024
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