Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Des Teufels Bad

Wucht von einem Film

Die Folklore in diesem „Folk Horror“ ist der österreichische Katholizismus, der Horror keine übernatürliche Kreatur, sondern das Leben und Sterben von Frauen in einer gnadenlosen, von Kirche und Aberglauben beherrschten Welt.

Mehr

DES TEUFELS BAD von Veronika Franz und Severin Fiala (ICH SEH, ICH SEH, THE LODGE) erinnert am ehesten an das Genre des Folk Horrors. Aber die Folklore ist hier der österreichische Katholizismus, der Horror keine übernatürliche Kreatur, sondern das Leben und Sterben von Frauen in einer gnadenlosen, von Kirche und Aberglauben beherrschten Welt.

Ein niederösterreichisches Tal Ende des 18. Jahrhunderts. Die Sonne scheint und glitzert auf dem Gras, in dem ein Baby in der Wiege liegt, im Hintergrund ein gedrungenes Steinhaus, der Schornstein raucht, ein Junge spielt. Die Mutter schickt ihn ins Haus, nimmt das Kind aus der Wiege, geht durch den Wald, legt dem weinenden Kind eine Kette um und steht schließlich hoch oben in einem Wasserfall. Sie wirft das Kind in den Abgrund. In der nächsten Einstellung läuft sie über eine nebelverhangene Brücke auf ein burgartiges Gebäude zu. Sie klopft an die Tür, die sich öffnet: „Ich habe etwas zu gestehen“. Das ist der Prolog.

DES TEUFELS BAD basiert auf Kathy Stuarts Buch „Suicide by Proxy – The Unintended Consequences of Public Executions in Eighteenth-Century Germany”. Stuart dokumentierte 400 Fälle von Selbstmord durch die Justiz. Frauen und Männer begingen aus Angst vor der Verdammnis, die ihnen nach einem Selbstmord drohte, Verbrechen, die mit der Todesstrafe geahndet wurden, vor allem Morde, Blasphemie und „Sodomie“. Vor der Hinrichtung transformierte die Buße die Täter*innen zu reuigen Sünder*innen, die auf Erlösung im Jenseits hoffen konnten. Das direkte Vorbild für die Bauersfrau Agnes in DES TEUFELS BAD ist Eva Litzfeller, die sich 1762 nach einem Kindesmord der Justiz stellte.

Agnes (Anja Plaschg) webt einen herbstlichen Kranz, denn es ist ihr Hochzeitstag mit Wolf, dem zweitältesten Sohn einer Bauersfamilie. Er wird den Kranz später achtlos zur Seite werfen. Alles dreht sich um das Kinderkriegen. Symbolisch wird Agnes in Ammentracht gekleidet und eine Alte legt ihr ein Bündel in den Schoß. Aber ihr Mann rührt sie nach der Hochzeit nicht an, er masturbiert nur neben ihr. Agnes ist verträumt, sie sammelt Schmetterlinge und Blumen: „Schau mal, wie das glitzert“, sagt sie zu Wolf. „Ja, Fischschuppen“, sagt der unbeeindruckt.

Franz und Fiala bebildern die Welt, wie Agnes sie sehen könnte – ihr poetischer Blick erfasst das verzauberte Moos, das rauschende Dickicht, den Nebel über dem Tal, die Wiese weiß und grün. Aber auch Agnes' Abgründe spiegeln sich in Natur: Der Schlamm im Fluss, aus dem die Bauern Karpfen fischen, die Fischköpfe wie Dämonen, die Kirche auf Knien gefilmt wie das Haus eines Herrgotts, der schneller verdammt als er erlösen kann. Sie verfällt in eine Depression, für die es hier keine Begriffe gibt. Der Priester sagt: „Sie ist in des Teufels Bad“. Franz/Fiala vermeiden jedes Klischee. Die Dorfbewohner sind keine Unmenschen. Auf ihre Weise meinen einige es gut mit Agnes, aber Agnes‘ Verzweiflung hat keinen Platz in dieser streng auf Nützlichkeit und Frömmigkeit beschränkten Welt. Einer hat sich umgebracht im Dorf, der darf nicht begraben werden. Seine Leiche fault auf einem dürren Acker, und Agnes‘ Seele verdüstert sich mit.

DES TEUFELS BAD ist eine Wucht von einem Film, mit gewaltigen Kinobildern und mit einem inszenatorischen Furor gedreht. Der Film hat körperliche Kraft, visuelles Pathos und ein souveränes Gespür für Atmosphäre.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Des Teufels Bad – The Devil's Bath
Österreich 2024, 121 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama, Historienfilm
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
Drehbuch: Veronika Franz, Severin Fiala
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Michael Palm
Musik: Anja Plaschg
Verleih: Plaion Pictures
Darsteller: Anja Plaschg, Maria Hofstätter, David Scheid, Elias Schützenhofer
Kinostart: 14.11.2024

IMDB

Vorführungen

Filter
Multiplexe anzeigen

Des Teufels Bad

(Des Teufels Bad – The Devil's Bath) | Österreich 2024 | Drama, Historienfilm | R: Veronika Franz, Severin Fiala

Die Folklore in diesem „Folk Horror“ ist der österreichische Katholizismus, der Horror keine übernatürliche Kreatur, sondern das Leben und Sterben von Frauen in einer gnadenlosen, von Kirche und Aberglauben beherrschten Welt.

Vorführungen

Friedrichshain

b-ware! ladenkino

26.01. – So

TicketsTickets kaufen OmeU22:35

Mitte

Acud Kino

HEUTE

TicketsKartenreservierung: https://acudkino.de/Programm OmeU21:00

28.01. – Di

TicketsKartenreservierung: https://acudkino.de/Programm OmeU20:15

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.