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Border

Konformismus & Exzess

Eine Chromosomenstörung soll der Grund für Tinas spezielles Aussehen sein. Und noch etwas an Tina ist seltsam: bei ihrer Arbeit für die schwedische Grenzkontrolle kann sie schlechte Intentionen wortwörtlich riechen.

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Eine Chromosomenstörung soll der Grund für Tinas (Eva Melander) Aussehen sein, so hat es ihr Vater zumindest erklärt. Sie kann keine Kinder bekommen, die Narbe am Steißbein hat irgendetwas Scharfes verursacht, und der Abdruck an der Schläfe stammt von einem Blitz, der sie als Kind getroffen hat. Daran erinnern kann sie sich nicht. Noch etwas an Tina ist seltsam. Bei ihrer Arbeit für den Zoll an der schwedischen Grenze kann sie schlechte Absichten buchstäblich riechen, wodurch sie zu Beginn des Films einen Mann aus dem Verkehr zieht, der mit einer Speicherkarte voller Kinderpornos einreist. Trotz ihrer Eigenart und den ächtenden Blicken der Leute scheint sie ihren Platz in der Welt einigermaßen gefestigt zu haben – bis sie auf Vore (Eero Milonoff) trifft. Er sieht ihr ähnlich, hat einen ähnlichen Abdruck, auch die Narbe am Steißbein, und wie sich bei einer Leibesvisitation herausstellt, ein weibliches Geschlechtsorgan. Sein ungehemmter Umgang mit der eigenen groben Erscheinung steht im Kontrast zu Tinas Konformismus. „Das macht man nicht“, sagt sie erst, als er in einer späteren Szene Würmer aus einem Baum zieht und verschlingt, bevor sie den nächsten aus seiner Hand isst. Die auflodernde Annäherung und schließlich den hemmungslosen Rausch spielen die beiden Hauptdarsteller mit einer animalischen Körperlichkeit, die in einer Schlüsselszene von einem Blitz aufgeladen und in einem surrealen Exzess entladen wird. Folklore wird zu Wahrheit deklariert und die versprochene Hoffnung im nächsten Moment dem Zynismus geopfert. BORDER erzählt von verinnerlichten Grenzen, die vielleicht nur durch einen Neuanfang eingerissen werden können. Regisseur Ali Abbasi erzählt im Stil eines entschleunigten Sozialdramas mit ekstatischen Ausbrüchen, ein Märchen im Natürlichen.

Hardy Zaubitzer

Details

Originaltitel: Gräns
Schweden 2018, 108 min
Genre: Drama, Fantasy, Horror
Regie: Ali Abbasi
Drehbuch: Ali Abbasi, Isabella Eklöf, John Ajvide Lindqvist
Kamera: Nadim Carlsen
Schnitt: Olivia Neergaard-Holm, Anders Skov
Musik: Christoffer Berg, Martin Dirkov
Verleih: Wild Bunch
Darsteller: Eva Melander, Eero Milonoff
FSK: 16
Kinostart: 11.04.2019

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