Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Blutsauger

Vampirische Metaphern

Das skurrile historische Diskurspopkomödie nimmt die vampirischen Metaphern, die durch Marx‘ Kapital geistern, ernst und befragt die Marxschen Kategorien auf ihre heutige Gültigkeit.

Mehr

Die Grundidee von Julian Radlmaiers BLUTSAUGER ist, die vampirischen Metaphern, die durch Marx‘ Kapital geistern, einmal ernst zu nehmen. So werden die Kapitalist*innen zu tatsächlichen Vampiren, und die ausgebeuteten Arbeiter*innen erwachen des Öfteren mit blutigen Bisswunden aus ihrem Schlaf – wobei die bürgerlichen Schichten hartnäckig auf der chinesischen Zecke als Auslöserin bestehen.

Dieser marxistische Vampirfilm ist so spannend und gruselig wie sein Schauplatz, ein verschlafenes kleines Örtchen an der Ostsee in den 1920er Jahren. Vampirjagd wird nur in einem spaßeshalber gedrehten Stummfilm betrieben; die meiste Zeit lässt Radlmaier seine rein symbolischen Charaktere (unter anderem ein arbeitsscheuer, aus der jungen Sowjetunion geflohener falscher Graf, eine Fabrikbesitzerin mit unerträglichem Hang zur Romantik und ein leicht verzweifelter Marx-Lesekreis) exzellent geschriebene, skurrile Dialoge aufsagen und schließt damit an die humoristische Bearbeitung linker Diskurse bei Godard oder Buñuel an.

Eine reine Satire ist BLUTSAUGER allerdings nicht, im Gegenteil: Hinter seinem surrealen Setting steht eine Parabel auf die blutigen ideologischen Kämpfe der Weimarer Republik und die massenmediale Demagogie der Nazis. Die ständigen Verfremdungseffekte (dieses Ostseebad der 1920er Jahre wird auch von Kitesurfer*innen und Motorrädern bevölkert) dienen ebenso nicht nur der Komik, sondern bewirken eine Aktualisierung des historischen Szenarios. BLUTSAUGER scheint auch die Marxschen Kategorien auf ihre heutige Gültigkeit zu befragen, wenn ein tropfarmer „personal assistant“ (sprich: duzender Diener) der dozierenden Rosa aus dem Marx-Lesekreis trotzig erwidert: „Ich stelle aber überhaupt nichts her, und schon gar keinen Mehrwert!“

Yorick Berta

Details

Originaltitel: Blutsauger – Bloodsuckers
Deutschland 2021, 125 min
Sprache: Deutsch, Englisch, Russisch
Genre: Komödie
Regie: Julian Radlmaier
Drehbuch: Julian Radlmaier
Kamera: Markus Koob
Schnitt: Julian Radlmaier
Musik: Franui
Verleih: Grandfilm
Darsteller: Andreas Döhler, Alexandre Koberidze, Lilith Stangenberg, Alexander Herbst, Corinna Harfouch, Daniel Hoesl
Kinostart: 12.05.2022

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.