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Blood Simple (WA)

Pflichtlektüre

Wiederaufführung der restaurierten Fassung des Debütfilms der Coen Brüder von 1984. Barbesitzer Marty heuert den schmierigen Detektiv Visser an, um seine Frau Abby und deren Lover Ray umzubringen. Visser hat eigene Ideen.

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Die Filmkritikerin Pauline Kael, deren Liebe vor allem dem New Hollywood Kino galt, veröffentlichte zum Start von BLOOD SIMPLE 1984 im „New Yorker“ einen heftigen Verriss des ersten Spielfilms der Coen-Brüder. Sie befand sich damit im Widerspruch zu fast der gesamten Filmkritik-Szene, die das Coen-Debüt durchweg begeistert aufgenommen hatte. Der Film habe keinen Sinn für Realität und keine Verbindung zur Erfahrung, schrieb Kael, auch keinen eigenen Stil, vielmehr entstamme er vollständig Quellen der Pop-Kultur, vor allem B-Filmen und schwülen Noir-Romanen. Kael hatte nicht unrecht. Die Erkenntnis, die sich in BLOOD SIMPLE und allen Filmen der Coen Brüder spiegelt, war ja gerade, dass es keinen Stil, keine Identität und Erfahrung gab, die nicht durch die Populärkultur gefiltert war. Nicht, dass das eine originäre Perspektive der 80er gewesen wäre. T.S. Eliot hatte ja schon 1922 sein „Waste Land“ aus Zitaten und Anspielungen zusammengesetzt: „These fragments I have shored against my ruins“. Aber in den zitat- und experimentierfreudigen 80er Jahren war diese Erfahrung kritisch geworden. BLOOD SIMPLE und die späteren Filme der Coen-Brüder erzählen von einem ständigen Kampf um Identitäten, und von einer Sinnlosigkeit und Absurdität des Unternehmens, die an Vanitas-Motive erinnern. Zugleich aber haben die Coens großen Respekt und große Liebe für ihre mit sich selbst und ihrem Missgeschick kämpfenden Figuren. Nichts verteidigen die Helden und Schurken in den Coen-Filmen mehr als ihre Idiosynkrasien, ihre immer leicht schief hängenden, zusammengeklaubten Eigenarten und Leidenschaften. So auch in BLOOD SIMPLE, wo der Barbesitzer Marty den schmierigen Detektiv Visser anheuert, um seine Frau Abby und deren Lover Ray umzubringen. Natürlich geht das nicht glatt, im Gegenteil. BLOOD SIMPLE ist Pflichtlektüre, nicht nur für Coen-Fans.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Blood Simple
USA 1984, 94 min
Genre: Thriller, Crime, Krimi
Regie: Joel Coen
Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen
Kamera: Barry Sonnenfeld
Schnitt: Joel Coen, Ethan Coen, Don Wiegmann
Musik: Carter Burwell
Verleih: StudioCanal
Darsteller: Frances McDormand, John Getz, M. Emmet Walsh, Dan Hedaya, Samm-Art Williams
FSK: 18
Kinostart: 05.10.2017

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