Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Kindheit im Exil

In ihrer Verfilmung des Jugendbuchklassikers von Judith Kerr hat Caroline Link angenehm genau den unsentimentalen Ton der Vorlage getroffen.

Mehr

Alfred Kerr war der einflussreichste Theaterkritiker der Weimarer Republik, berühmt für seine Schärfe und offener Nazigegner. Kurz vor den Reichstagswahlen im März 1933 erreichte ihn eine anonyme Warnung: Sein Name stehe an zweiter Stelle einer Feindesliste der Nazis, im Falle eines Wahlsiegs drohe ihm Übles. Kerr verließ das Land, seine Familie folgte und erlebte die Machtübernahme Hitlers in der Schweiz. Die folgende jahrelange Odyssee über die Schweiz nach Paris und schließlich London hat die damals neunjährige Tochter Judith (in Buch und Film Anna) in einer Reihe weltberühmt gewordener Jugendbücher beschrieben. Den ersten Roman hat Caroline Link nun verfilmt und angenehm genau den unsentimentalen Ton der Vorlage getroffen. Fast durchweg aus der Sicht der sensiblen und eigenwilligen Anna erzählt, hält der Film die Balance zwischen Traurigkeit über den Verlust der Heimat und den interessanten Seiten einer Kindheit, in der es ständig gilt, sich in neuen Kulturen zurecht zu finden. Riva Krymalowski ist als Anna wunderbar. Neugierig tastet sie sich vor, versteht erst vieles nicht, eckt als Berliner Intellektuellenkind in der Schweizer Hinterwäldlerschule an und sucht doch immer das Schöne in den neuen Welten. Oliver Masucci spielt Alfred Kerr leise, fast zurückhaltend und gibt dem Film sein zweites Zentrum. Seinen Kindern lebt er eine intelligente, sanfte Variante des Nicht-Aufgebens vor und schafft eine Atmosphäre, in der nie das Gefühl aufkommt, es ginge der Familie richtig schlecht. Man glaubt ihm, wenn er auf Annas Frage „Macht es Dir nichts aus, ein Flüchtling zu sein?“ antwortet: „Doch. Aber ich finde es auch ganz interessant.“
Obwohl die Umstände dagegen sprechen: Caroline Link erzählt die in Kriegs- und Friedenszeiten gar nicht so häufige Geschichte einer gelingenden Kindheit.

Susanne Stern

Details

Deutschland 2019, 119 min
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Regie: Caroline Link
Drehbuch: Caroline Link, Anna Brüggemann
Kamera: Bella Halben
Schnitt: Patricia Rommel
Musik: Volker Bertelmann
Verleih: Warner Bros.
Darsteller: Riva Krymalowski, Marinus Hohmann, Carla Juri, Oliver Masucci
FSK: oA
Kinostart: 25.12.2019

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.