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Neue Notiz

Aheds Knie

Pure Provokation

Nadav Lapids Film über die Wut und Verlorenheit gegenüber den rechtsextremen Tendenzen in Israel ist pure Provokation, aber auch das Psychogramm eines Mannes in einer persönlichen Krise und mindestens in Teilen autobiografisch.

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Ahed Tamimi wurde zur Ikone des Widerstands in den besetzten Gebieten, als die Sechzehnjährige einen israelischen Soldaten ohrfeigte, der ihren jüngeren Bruder mit einem Gummigeschoss aus nächster Nähe am Kopf schwer verletzt hatte.

Nadav Lapid gewann 2019 mit SYNONYMES den Goldenen Bären bei der Berlinale. Lapids neuer Film AHEDS KNIE nimmt die Aussage eines israelischen Politikers, man hätte Ahed Tamimi ins Knie schießen sollen, zum Ausgangspunkt eines Films über die Wut und Verlorenheit gegenüber den rechtsextremen Tendenzen in Israel.

Eine Motorradfahrerin ist auf dem Weg zum Casting für einen Film, in dem Ahed Tamimis Knie tatsächlich zerschmettert wird. Die Casting-Szenen sind kurz und kontextlos, dann sitzt der Mann, der eben noch mit einem Vorschlaghammer auf das entblößte Knie einer jungen Frau losgegangen ist, im Flieger. Er ist der Regisseur, der hier nur X heißt, auf dem Weg zu einer Vorführung eines älteren Films in der Bibliothek einer Siedlung in der Arava, einer kaum bewohnten Wüstensenke südlich des Toten Meeres. Er schickt zärtliche Nachrichten an seine Mutter, die an Krebs erkrankt ist, aber anderen gegenüber verhält er sich schroff, herablassend und brutal.

Ihn begrüßt eine junge Mitarbeiterin des Kulturministeriums, die stets lächelnd mit X flirtet, bevor sie ihn auf eine „Formalität“ anspricht: er soll ein Dokument unterschreiben, das genau festlegt, worüber er in seinem Vortrag sprechen wird. „Kulturlos“, „seelenzerstörend“ und „moralisch verkommen“ sind noch die harmlosesten Begriffe, mit denen X seine Mitbürger*innen und deren politische Repräsentant*innen bedenkt.

Nadav Lapids Film ist pure Provokation, aber auch ein Psychogramm eines Mannes in der persönlichen Krise und mindestens in Teilen autobiografisch. AHEDS KNIE ist ein Film, dem es völlig egal ist, ob er irgendjemandem sympathisch ist.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Ha'berech
Israel/Frankreich 2021, 101 min
Genre: Drama
Regie: Nadav Lapid
Drehbuch: Nadav Lapid
Kamera: Shai Goldman
Verleih: Grandfilm
Darsteller: Nur Fibak, Avshalom Pollak
FSK: 12
Kinostart: 17.03.2022

Website
IMDB

Vorführungen

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