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Feature, Festivals

Berlinale XI: John McEnroes schwarze Magie

Forum: L'EMPIRE DE LA PERFEKTION

Bewegung, Zeitlichkeit, Drama: Film und Sport haben sehr ähnliche Strukturen. Klar sind das Binsenweisheiten, und auch die filmphilosophischen Überlegungen, die Julien Farault anhand der wundervollen 16mm-Aufnahmen von John McEnroe, die im Auftrag des französischen Tennisverbandes bei den French Open in Roland Garros, präsentiert, wirken ein wenig aufgeplustert. Egal, das Bildmaterial ist der Knüller. Mitte der 70er Jahre stellten französische Tennis-Lehrfilmproduzenten fest, dass die Bewegungen in ihren dogmatischen Filmen wenig bis nichts mit den wirklichen Bewegungen im Match zu tun hatten. Zwischen John McEnroes Aufschlag und der Lehr-Technik klafften Welten. McEnroe steht „falsch“, fast mit dem Rücken zum Netz, beide Füße parallel zur Grundlinie. Er wirft den Ball „falsch“, zu weit nach vorn. Er biegt den Rücken zu sehr durch, der laut Dogma maximal wie ein gespannter Bogen wirken soll. McEnroes Aufschlagbewegung hat mehr mit schwarzer Magie zu tun als mit der Technik, die überall unterrichtet wird. Er ist den Gegner nicht möglich, auszurechnen, in letzter Sekunde platziert, knallhart und wahnsinnig angeschnitten. Um hinter die Geheimnisse von McEnroes irrwitziger Technik zu kommen, stellen die Sportfilmer 16mm-Filmkameras auf den Platz, die ganz auf McEnroe konzentriert sind, außerdem High-Speed-Kameras, die Bewegungsabläufe genau aufzeichnen sollen. Julien Farault hat das Material neu geschnitten, und es ist vor allem dann atemberaubend, wenn es sich ganz auf den Sport konzentriert. Die psychologische Analyse über McEnroes Streitereien ist dagegen nur mäßig interessant, ebenso die vielen Szenen, in denen er mit Schiedsrichtern und Fotografen streitet. Die körperliche Dynamik, die Körpertäuschungen, die Variationen des Spiels durch den Blick auf McEnroe so nah zu sehen, ist dagegen berauschend und faszinierend, ganz davon abgesehen, wie schön das Licht auf dem gar nicht mal so alten Filmmaterial wirkt.

Weitere Vorstellungen: Sa 24.02. um 10:00 Uhr im Zoo Palast 2

Tom Dorow