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Wo ich wohne – Ein Film für Ilse Aichinger

Assoziative Montage

WO ICH WOHNE ist eine surreale Kurzgeschichte von Ilse Aichinger aus dem Jahr 1963, in der eine Frau plötzlich feststellt, dass ihre Wohnung, die sich einmal im vierten Stock des Hauses befand, allmählich tiefer sinkt, obwohl sie nicht umzieht. Der Film WO ICH WOHNE ist eine assoziative Verfilmung der Geschichte und ein Versuch der Annäherung an die Schriftstellerin, die in ihrem Werk zu „verschwinden“ suchte. Hier bleibt alles fragmentarisch wie die Erinnerung, von der Ilse Aichinger sagte: Erinnerung begreift sich nicht zu Ende.

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WO ICH WOHNE ist eine surreale Kurzgeschichte von Ilse Aichinger aus dem Jahr 1963, in der eine Frau plötzlich feststellt, dass ihre Wohnung, die sich einmal im vierten Stock des Hauses befand, allmählich tiefer sinkt, obwohl sie nicht umzieht. Schließlich wohnt sie im Keller und fragt sich, ob es wohl noch tiefer gehen wird, in den Kanal. Der Film WO ICH WOHNE ist eine assoziative Verfilmung der Geschichte und ein Versuch der Annäherung an die Schriftstellerin, die in ihrem Werk zu „verschwinden“ suchte. Hier bleibt alles fragmentarisch wie die Erinnerung, von der Ilse Aichinger sagte: Erinnerung begreift sich nicht zu Ende.
Nur Teile von Aichingers Biografie werden angedeutet. Aichingers Mutter war Stadtärztin in Wien und Jüdin. Ihre Großmutter und die jüngeren Geschwister der Mutter wurden verschleppt und ermordet, die Schwester Helga konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England emigrieren, Ilse blieb in Wien und versteckte die Mutter in einer ihr zugewiesenen Wohnung gegenüber des Gestapo-Hauptquartiers. Das wird weniger berichtet, als assoziativ kommentiert in Texten von Aichinger, in Gesprächen mit ihrer Schwester Helga Michie, Auszügen aus dem Briefwechsel zwischen den Schwestern und Super-8 Filmen, die Aichinger selbst in den sechziger und siebziger Jahren gedreht hat. Es ist ein Film, der zum Zuhören zwingt und der sich auf die Kraft der poetischen Sprache Aichingers verlässt: „Man sollte Stimmen derjenigen, mit denen man sich täglich unterhält, auch Fremder und auch der Nächsten, so hören, als hörte man die Stimmen von aus dem Grab Wiedergekommenen. Denn eines Tages sind es solche Stimmen.“ So erscheint hier auch Aichingers Stimme, als ein Echo ihrer Abwesenheit im Film. Wer sich darauf einlässt, kann eine Sprache und ein Denken entdecken, die versuchen, die Welt in ihrem und im eigenen Verschwinden zu erfassen.

Hannes Stein

Details

Originaltitel: Wo ich wohne. Ein Film für Ilse Aichinger
Österreich 2013, 81 min
Sprache: Deutsch
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Christine Nagel
Drehbuch: Christine Nagel
Kamera: Isabelle Casez, Helmut Wimmer
Schnitt: Niki Mossböck
Musik: Gerd Bessler
Verleih: Film Kino Text
Darsteller: Ilse Aichinger, Helga Michie, Verena Lercher, David Monteiro, Elfriede Irrall, Florentin Groll, Moritz Uhl
Kinostart: 04.12.2014

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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