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Wajib

Palästina auf vier Rädern

Shadi und sein Vater Abu Shadi laden bei persönlichen Besuchen zahlreiche Gäste zur Hochzeit der Tochter und Schwester Amal ein. Während verschiedener Besuche entsteht ein Bild der palästinensischen Gesellschaft und der Konfliktlinien zwischen Generationen.

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Nach ein paar Stunden sind es noch 340 Einladungen, die Shadi und sein Vater Abu Shadi zu verteilen haben. Sie erledigen Wajib, zu deutsch Verpflichtung: Mohammad Bakri und Saleh Bakri, Vater und Sohn im echten Leben, laden als ebendiese zur Hochzeit ihrer Tochter und Schwester Amal ein. Das tun sie „Nazareth style“, wie Shadi es nennt: Jede Einladung wird persönlich übergeben, beim Besuch gibt es Tee, Essen und Klatsch mit den Bekannten, dann geht es im klapprigen Volvo weiter zum nächsten Haus. Vater und Sohn stehen dabei im Mittelpunkt, mal gibt es Streit, mal haben sie Spaß: Ihre Beziehung ist getrübt, seit letzterer Palästina verlassen hat, mit seiner Freundin in Italien lebt und selbst Weihnachten lieber in Rom verbringt – Abu Shadi bringt alte Konflikte wieder ans Licht sowie Argumente, warum der Sohn doch wieder zurückkehren solle. In Nazareth gebe es sogar Rotwein und Cappuccino!

Annemarie Jacirs WAJIB lief 2017 im Wettbewerb des Filmfestivals in Locarno. Es ist ein zurückhaltend inszeniertes Porträt einer Vater-Sohn-Beziehung, in deren Verhältnis sich Lebensentwürfe zwischen Tradition und Moderne spiegeln – und die Frage nach dem Umgang mit der politischen Lage in Palästina von den Figuren individuell ausgeleuchtet wird. In kleinen Episoden, die von den Besuchen bei verschiedenen Familienmitgliedern und Bekannten erzählen, entsteht ein Bild einer Gesellschaft, wobei die Form stellenweise sehr konstruiert wirkt. Während Shadi aus Widerstand und dem Wunsch nach Freiheit sein Heimatland verlässt, ist für seinen Vater, einen Schullehrer, ein friedliches Leben bei seinen Wurzeln wesentlich – und sei dieses auch aus Kompromissen gemacht. So wirft dieses Kammerspiel auf vier Rädern einen behutsamen Blick auf das Leben in Nazareth und das der Weggezogenen.

Lili Hering

Details

Frankreich, Deutschland, Palästina, Kolumbien, Vereinigte Arabische Emirate, Norwegen, Katar 2017, 96 min
Genre: Drama, Komödie
Regie: Annemarie Jacir
Drehbuch: Annemarie Jacir
Kamera: Antoine Héberlé
Verleih: mec
Darsteller: Mohammad Bakri, Saleh Bakri, Tarik Kopty, Monera Shehadeh, Lama Tatour
Kinostart: 19.09.2019

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