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Vergiss Meyn Nicht

Verletzbarkeit im politischen Kampf

Der Filmstudent Steffen Meyn im Hambacher Forst beim Versuch über eine Traverse von einem Baum zum anderen zu gelangen. VERGISS MEYN NICHT besteht aus den Kamerabildern, die Steffen Meyn im Hambacher Forst eingefangen hat, und aus Interviews mit Aktivist*innen.

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Der Filmstudent Steffen Meyn starb am 19. September 2018, dem sechsten Tag der Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst beim Versuch, über eine Traverse von einem Baum zum anderen zu gelangen. @vergissmeynnicht war seine Twitter-Handle, unter der er aus dem Hambacher Forst berichtete. VERGISS MEYN NICHT besteht aus den Kamerabildern, die Steffen Meyn im Hambacher Forst eingefangen hat, und aus Interviews mit Aktivist*innen, die nur unter ihren Spitznamen genannt werden: Alaska, Diam, Frodo, Lilie, Lola, Tub und Wo. In den Interviews geht es weniger um Steffen Meyn, der sich den Aktivist*innen zwar verbunden fühlte, aber nicht Teil des Kollektivs war, sondern um die Prozesse und Debatten. Als Teil-Innenansicht von linken Kollektiven unterscheiden sich ihre Utopien, Konflikte und Debatten um Militanz und persönliche Risiken kaum von anderen Bewegungen, für die das Zusammenleben ein wichtiges Element war. Ein offenes Kollektiv mit einem gemeinsamen Ziel und gemeinsamen Gegnern erzeugt zunächst ein euphorisches Gefühl der Gemeinschaft. Dass es dabei Probleme gibt, mit (auch sexualisierter) Gewalt, mit psychischen Erkrankungen und Drogensucht, aber auch mit unterschiedlichem Engagement bei ganz praktischen Problemen, wird dann oft erst im Lauf der Zeit deutlich. Bei den Waldbesetzer*innen kommt dazu, dass sie ihre körperliche Verletzbarkeit im Kampf für ihre Ziele einsetzen. Das gibt ihnen ein höheres Pathosniveau als einfachen Demonstrierenden, und es sichert größere Aufmerksamkeit. Die Frage, die der Film stellt, ist, ob Aktionsformen, bei denen Aktivist*innen sich selbst so massiv gefährden, wirklich notwendig sind. Eine Frage, die auch Gruppen wie Letzte Generation und Extinction Rebellion betrifft. Eine Frau im Film sagt: „Ich bin da ja ganz gut rauskommen. Man müsste die Toten fragen.“

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Vergiss Meyn nicht – Lonely Oaks
Deutschland 2023, 100 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff
Drehbuch: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff
Kamera: Carina Neubohn, Nora Daniels, Steffen Meyn
Schnitt: Ulf Albert
Musik: Antonia de Luca, Caroline Kox
Verleih: W-Film
Kinostart: 21.09.2023

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