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Vatersland

Die feineren Gründe

In ihrem autobiografischen, hybriden Spielfilm spürt Regisseurin Petra Seeger dem Persönlichen nach und macht kollektive Strukturen sichtbar, die die „feineren Gründe“ dafür bilden, warum so wenige Frauen die gläserne Decke durchstoßen.

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Wie wird man eigentlich zur Frau? Und wie wird frau Regisseurin? In Vaters Land? Das Mädchen Marie verliert mit zehn Jahren seine Mutter, es sind die Sechziger Jahre. Der emotional unbeholfene Vater schafft es nicht, eine sensible Verbindung zur Kleinen aufzubauen. Zwischen ihr und ihm ist immer eine Kamera, er lichtet die Familie weiter als glückliche ab. Sprachlos wie so viele mit Kriegserleben und entzauberter Naziideologie, steckt er seine Tochter in ein Rollenkorsett. Marie wird mit Haushaltsarbeit belastet, aber auch zum Posieren für die Kamera erzogen. Das Erlernen des Fotografierens bleibt ihrem Bruder vorbehalten.

Zeitsprung: Es sind die frühen Jahre des 21. Jahrhunderts und die erwachsene Marie, Regisseurin und Mutter, ist mit ihrer Kindheit in Gestalt einer Holztruhe voller Fotos, Alben und Filmspulen konfrontiert. Trotz umfassenden Anspruchs eines So-ist-es-gewesen geben diese Bilder im Dienste der familiären Selbstinszenierung nichts preis von dem Schmerz, den Ambivalenzen und Enttäuschungen, die auch zur Familienkiste gehören.

Was die Fotos nicht zeigen, macht der Film über sie sichtbar. Regisseurin Petra Seeger mischt die privaten und historische Archivbilder in einen autobiografischen, hybriden Spielfilm. Sie spürt dabei dem Persönlichen nach und unternimmt eine breitere Einbettung ihrer Erfahrung in das gesellschaftliche Klima zur Zeit ihres Heranwachsens. Als Mädchen mutterseelenallein dem männlichen Blick ausgesetzt, gelangt sie in VATERSLAND so zu einer treffsicheren Reflexion. Ihr gelingt es, unterhaltsam kollektive Strukturen deutlich zu machen, die die „feineren Gründe“ (Petra Seeger) dafür bilden, warum so wenige Frauen nicht nur ihrer Generation die gläserne Decke durchstoßen – auch in der Filmindustrie. Zugleich ist diese dezidierte Frauengeschichte überraschend ermutigend.

Anna Stemmler

Details

Deutschland 2020, 118 min
Genre: Drama
Regie: Petra Seeger
Drehbuch: Petra Seeger
Kamera: Hajo Schomerus
Schnitt: Aron Roos
Musik: Dieter Bonnen
Verleih: W-Film
Darsteller: Margarita Broich, Felizia Trube, Momo Beier, Stella Holzapfel, Bernhard Schütz
Kinostart: 10.03.2022

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