
Neue Notiz
Traumnovelle
Verdrängung und Verführung
Florian Frerichs siedelt Schnitzlers Geschichte um Verdrängung und Verführung im Berlin von heute an.
In Arthur Schnitzlers ursprünglich in serieller Form erschienener Traumnovelle irrt der junge Arzt Fridolin verstört durch das Wien der 1925er Jahre. Ein erotischer Traum, von dem seine Frau Albertine ihm erzählt hat, lässt ihn Verführung und Verfall in jeder Ecke entdecken. Er trifft eine verliebte Klientin, begegnet einer jungen Prostituierten und wird in eine Orgie und einen möglichen Mord verwickelt. 1999 transferierte Stanley Kubrick in EYES WIDE SHUT die Geschichte in ein New York der Gegenwart in der Weihnachtszeit. Aus Schnitzlers Ehedrama um bürgerliche Moral und das Unbewusste machte Kubrick eine Farce, in der in jeder Szene bunt blinkende Weihnachtsbäume an den großen amerikanischen Traum von Familienglück und Monogamie erinnern, mit Nicole Kidman und einem stets fassungslos aus der Wäsche schauenden Tom Cruise in den Hauptrollen. Florian Frerichs unternimmt nun eine weitere Neuinterpretation und siedelt die Geschichte im Berlin von heute an. Einerseits orientiert er sich bei Plot und Dialogen exakter an Schnitzlers Original, andererseits baut er viele Kubrick-Verweise – von einzelnen Szenen bis zur E-Mailadresse @overlook.de – ein. Nikolai Kinski spielt den Arzt Jakob, der eine Nacht und einen Tag lang durch den Berliner „Untergrund“ streift und dabei an realen Orten wie der Kleinen Nachtrevue und dem Fetischladen Connection in Schöneberg vorbeikommt, in dem Detlev Buck den etwas fusseligen Geschäftsinhaber gibt. Das hübsche Cameo ist einer der wenigen Momente des Films, die sich gegenwärtig anfühlen. Ansonsten bleibt unklar, wo genau Frerichs die Bezüge zwischen Schnitzlers Geschichte und dem heutigen, hedonistischen, agnostischen, multi-sexuellen Berlin sieht. Obwohl Jakobs innere Monologe hier sogar aus dem Off zu hören sind, bleibt seine Gefühlsverwirrung wenig nachfühlbar.
Deutschland 2024, 109 min
Genre: Drama
Regie: Florian Frerichs
Drehbuch: Florian Frerichs
Kamera: Konstantin Freyer
Schnitt: Florian Frerichs
Verleih: Apollo Filmproduktion
Darsteller: Nikolai Kinski, Laurine Price, Detlev Buck, Nora Islei, Bruno Eyron, Sharon Kovacs
FSK: 16
Kinostart: 16.01.2025
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