Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

The Wild Pear Tree

Grundfragen der Existenz

Ein angehender Lehrer und Schriftsteller kehrt zurück in seine westanatolische Heimatstadt Çan. Aus seinen Gesprächen und den Konflikten mit Bekannten und Familie ergeben sich immer neue Perspektiven auf Religion, Kultur oder Ethik.

Mehr

Die Tiefgründigkeit von Nuri Bilge Ceylans THE WILD PEAR TREE ist vergleichbar mit Andrej Zvyagintsevs LEVIATHAN von 2014: Beide Filme bündeln Grundfragen der menschlichen Existenz in einer Serie von geschliffenen Dialogen und verpacken diese in einem visuell und klanglich gleichermaßen eindrücklichen Epos.
Während die Charaktere in LEVIATHAN jedoch bisweilen zu reinen Medien für die politischen und philosophischen Überzeugungen des Regisseurs geraten, verwachsen in THE WILD PEAR TREE die künstlerische Aussage und das filmische Setting zu einem überzeugenden Ganzen.
Dabei bleibt die eigentliche Handlung simpel: Ein angehender Lehrer und Schriftsteller kehrt zurück in seine Heimatstadt, wo er hofft, sein erstes Buch zu veröffentlichen. Dieser Plan wird jedoch verkompliziert durch seine konfliktreichen Beziehungen zu Freunden und Familie, besonders zu seinem undurchschaubaren Vater (Murat Cemcir). Der Wildbirnenbaum gerät dabei zum Symbol für regionale Verbundenheit und intellektuelle Selbstisolation gleichermaßen.
Dass sich aus den Gesprächen und Konflikten des Schriftstellers mit den Bewohnern seiner westanatolischen Heimatstadt Çan immer neue Perspektiven auf Religion, Kultur oder Ethik ergeben, ist immer nachvollziehbar und bisweilen sogar sehr unterhaltsam. So behält die inhaltliche und filmische Imposanz von THE WILD PEAR TREE stets eine angenehme Natürlichkeit, was auch den großartigen Schauspieler:innen geschuldet ist: vom verbissenen Antihelden Sinan Karasu (Dogu Demirkol) bis zu seiner melancholischen Jugendliebe Hatice (Hazar Ergüçlü) balanciert die gesamte Besetzung die Pole von erzählerischem Archetyp und lebensechtem Individuum perfekt aus.
Und ohne sich in schwüler Symbolik zu ergehen, verwandelt das Team von Nuri Bilge Ceylan den einfachen Plot in jeder Hinsicht in ein Meisterwerk.

Yorick Berta

Details

Originaltitel: Ahlat Agaci
TR 2018, 188 min
Genre: Drama
Regie: Nuri-Bilge Ceylan
Drehbuch: Nuri-Bilge Ceylan, Ebru Ceylan, Akin Aksu
Darsteller: Dogu Demirkol, Murat Cemcir, Bennu Yildirimlar
FSK: 6
Kinostart: 18.06.2020

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.