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The Viewing Booth

Berlinale Forum: Beim Sehen gesehen werden

Regisseur Ra’anan Alexandrowicz sagt früh im Films, dass dieser kein Experiment ist. Ob er damit die Wahrheit sagt, bleibt auch nach der letzten Einstellung eine unbeantwortete Frage. Die zu Grunde liegende Situation erinnert stark an eine ...

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Regisseur Ra’anan Alexandrowicz sagt früh im Films, dass dieser kein Experiment ist. Ob er damit die Wahrheit sagt, bleibt auch nach der letzten Einstellung eine unbeantwortete Frage. Die zu Grunde liegende Situation erinnert stark an eine psychologische Studie, aber vielleicht ist das, was in THE VIEWING BOOTH passiert, wirklich noch etwas anderes. Alexandrowicz hat sich zuerst als IDF-Soldat und später als Filmemacher intensiv mit dem Territoriumskonflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern beschäftigt, und im Internet Hunderte von Videos über und aus der Region angeschaut. Aber haben andere Menschen dieselben Reaktionen auf diese Videos wie er? Um dies herauszufinden, lässt er sieben Studierende einer US-amerikanischen Uni eine Auswahl aus 40 Onlinevideos sichten und ihre Eindrücke direkt in die Kamera schildern. Von diesen sieben sind die Reaktionen der Studentin mit israelischen Wurzeln Maia so interessant, dass Alexandrowicz sich bald ausschließlich auf sie konzentriert. Als Digital Native hinterfragt Maia viele der Videodetails und vermutet hinter fast allen als real präsentierten Situationen Betrug und Manipulation. Sie erkennt schnell, dass ihre Interpretation des Gezeigten stark von ihrer Grundhaltung über den Konflikt gefärbt ist, reflektiert sich selbst aber auch intensiv, wenn von der Regie zusätzliche Informationen kommen, die Lücken in den Szenarien in ihrem Kopf aufzeigen, ohne dass sie deswegen ihre Grundeinstellung ändert. Ihre Reflektionen sind so aufschlussreich, dass Alexandrowicz sechs Monate später wird noch eine weitere Reflektionsebene dazufügen wird.

THE VIEWING BOOTH bietet keine abschließenden Antworten, dafür aber viel Raum zum Spinnen von Fragen und zum Nachdenken über das Verhältnis, welches man als Rezipient*in von Onlinemedien zu dem Gezeigten hat. Und auch darüber, wie verschwommen manchmal die Grenzen zwischen abgebildeter Realität und fiktiven Geschichten ist. Vielleicht ist der Film wirklich kein Experiment, dafür aber ein faszinierender Versuch.

Christian Klose

Details

IL/USA 2019, 70 min
Sprache: Englisch
Genre: Dokumentarischer Film
Regie: Ra'anan Alexandrowicz
Kinostart: 22.02.2020

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