Die Märchen der Gebrüder Grimm wurden vielfach filmisch umgesetzt. Am populärsten sind zweifellos die Disney-Versionen, mit eingängigen Songs und garantiertem Happy End. Aber auch die düsteren Motive dieser Geschichten fanden in der Horrorlandschaft ihren Platz. Regisseurin Emilie Blichfeldt reiht sich hier ein und greift in THE UGLY STEPSISTER klug und mit Witz das Body-Horror-Motiv aus „Aschenputtel“ auf. Rucke di guh - Blut ist im Schuh. Mit treibendem Soundtrack und visuell irgendwo zwischen Sofia Coppolas MARIE ANTOINETTE und Instagram-Look verankert sie das Märchen im ästhetischen Tempo der Gegenwart. Der besondere erzählerische Twist: Anstelle der Underdog-Prinzessin als Identifikationsfigur, steht bei ihr die titelgebende „hässliche“ Stiefschwester Elvira (Lea Myren) im Mittelpunkt. Die quält sich durch Nasen-OPs, Bandwurmtherapien und die Demütigungen ihres Umfelds, um beim großen Ball den attraktiven Prinzen für sich zu gewinnen. Der entpuppt sich allerdings nicht als romantischer Edelmann, sondern als wandelnde „Red Flag“ toxischer Männlichkeit. Elviras Widersacherin, die „schöne“ Stiefschwester Agnes, glänzt ebenfalls mehr durch ihr Äußeres als Inneres, wie auch die anderen beautybesessenen Bewohner*innen des Königreichs Swedlandia. Die Zerrbilder der Selbstoptimierung in einem gnadenlosen Schönheitsregime stellen die Sympathien schnell auf den Kopf. Sind wir es doch sonst gewohnt, dass die Schönen auch die Guten sind. Die kulturelle und historische Aufladung dieser Schönheitsbilder verdeutlichen sich auch in den Maßstäben Swedlandias, die heutigen Idealen näherkommen als denen aus grimmschen Zeiten. Elviras lauterwerdendes Bauchgrummeln mahnt derweil Unheilvolles an. Der Schönheitskult hat eben Nebenwirkungen und sicher kein Happy End für alle - nicht nur im Märchen.

Clarissa Lempp