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The Rider

Vollkommene Kinomagie

Der Lakota-Cowboy Brady darf nach einer Kopfverletzung, die er sich beim Rodeo zugezogen hat, eigentlich nicht mehr reiten, aber ein anderes Leben gibt es für ihn nicht. In Chloé Zhaos’b erührendem und bezaubernden Film spielen Brady und seine Familie eine fiktionale Version ihrer eigenen Geschichte.

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Chloé Zhaos THE RIDER ist vollkommene Kinomagie. Schöneres Licht als das, was ihr Kameramann Joshua James Richards auf die Leinwand zaubert, war im Kino nicht mehr seit Nestor Almendros‘ Kameraarbeit für Terence Malicks DAYS OF HEAVEN zu sehen, der offensichtlich eine Inspiration für Zhaos Film war, und eine bewegendere Geschichte habe ich in diesem Jahr auch noch nicht im Kino gesehen.

Chloé Zhao hat bereits ihren letzten Film, SONGS MY BROTHER TAUGHT ME, in den Badlands der Pine Ridge Reservation in South Dakota gedreht. Dabei lernte sie den jungen Rodeo-Cowboy Brady Jandreau kennen, den sie unbedingt als Hauptdarsteller für ihren nächsten Film haben wollte. Dann verletzte Brady sich bei einem Rodeo schwer, als ein Bronco ihn abwarf und mit dem Huf am Kopf erwischte. THE RIDER ist parallel zu Bradys Heilungsprozess entstanden, der Lakota-Cowboy und seine Familie spielen eine fiktionale Version ihrer eigenen Geschichte. Vieles ist vollkommen real in THE RIDER: Die zärtlichen Dialoge zwischen Brady und seiner geistig behinderten Schwester, die atemberaubenden Szenen, in denen Brady ein Wildpferd zureitet. Dabei darf Brady eigentlich nicht mehr reiten, in seinem Kopf befindet sich eine Stahlplatte und er leidet an Anfällen, die mit Übelkeit und Verkrampfungen der Muskulatur einhergehen. Brady kann aber auch nicht leben, ohne zu reiten, obwohl er an seinem (echten) Freund, dem früheren Bullenreiter Lane, gesehen hat, wieviel schlimmer seine Verletzung hätte ausgehen können.

THE RIDER zeigt die Männerwelt der Lakota Cowboys von Pine Ridge, in der man als Teenager mit dem gefährlichen Sport beginnt, und so lange durchhält, wie der Körper die Belastung erträgt. Wer aussteigt, erntet bestenfalls Mitleid: „Ich habe genug Typen gesehen, die Angst hatten, wieder auf’s Pferd zu steigen und Farmer geworden sind“, warnt ein Kumpel Brady, der dann zunächst doch einen Job annehmen muss: Waren auszeichnen im Supermarkt. Die stupide Arbeit ist nicht zu ertragen, schon gar nicht im Gegensatz zu den mitreißenden Außenaufnahmen, die Zhao und Richards auf die Leinwand zaubern. Man meint die Kräuter und den Staub der Badlands riechen zu können, den Wind zu spüren, und wenn Brady über die Prärie reitet, wirkt er schwerelos.

Die Geschichte eines jungen Mannes, der in einer Welt lebt, in der es nur einen lebbaren Traum gibt, der sich für ihn nicht mehr leben lassen soll, ist eine existentielle Tragödie, die unmittelbar den Lebensumständen im Pine Ridge Reservat entspringt, aber nicht nur emotional auf universelle Erfahrungen verweist. Chloé Zhao arbeitet wundervoll mit ihren Laiendarstellern, denen man manchmal durchaus anmerkt, dass sie spielen, was die Wahrhaftigkeit ihrer Worte und Handlungen aber eher noch unterstreicht. THE RIDER ist Cinema Verité im originalen Sinne: ein Kino, das poetische Wahrheit schafft.

Tom Dorow

Details

USA 2017, 104 min
Genre: Drama
Regie: Chloé Zhao
Drehbuch: Chloé Zhao
Kamera: Joshua James Richards
Schnitt: Alex O'Flinn
Musik: Nathan Halpern
Verleih: Weltkino
Darsteller: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, Cat Clifford
FSK: 12
Kinostart: 21.06.2018

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