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The French Dispatch

Fröhlich ausgemalt

Das Kaleidoskop von Geschichten und Beobachtungen ist Mitte des vergangenen Jahrhunderts in einem imaginären französischen Örtchen namens Ennui angesiedelt. Von hier berichtet das ebenso imaginäre amerikanisches Auslandsmagazin „The French Dispatch“ über Weltpolitik, Kulinarik und Vermischtes.

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Der neue Wes Anderson ist wie russische Matroschka-Puppen organisiert. Eingebettet in eine fröhlich ausgemalte Rahmenhandlung sind pittoreske Episoden, die sich ihrerseits bevorzugt in schräg-niedlichen Nebenschauplätzen verlieren. Ein Haupthandlungsstrang ist dabei nach einiger Zeit nicht mehr auszumachen, aber vielleicht ist das gar nicht so sehr ein Fehler als vielmehr das Ziel der Übung. Das Kaleidoskop von Geschichten und Beobachtungen ist Mitte des vergangenen Jahrhunderts in einem imaginären französischen Örtchen namens Ennui angesiedelt. Von hier berichtet das ebenso imaginäre amerikanische Auslandsmagazin „The French Dispatch“, dessen idiosynkratischer Herausgeber, gehätschelte Starjournalist*innen und liebevoll grafisch gestaltete Titelbilder nicht von ungefähr an „The New Yorker“ erinnern, über Weltpolitik, Kulinarik und Vermischtes. Herausgeber Arthur Horwitzer Jr. (Bill Murray) hat verfügt, dass das Magazin unmittelbar mit seinem Tod eingestellt wird. Der ist eingetreten, und der Film illustriert nun sowohl die Entstehung der letzten, speziellen Ausgabe, als auch einige der Artikel, die in ihr erscheinen werden. Zu den Beiträgen gehören unter anderem eine Ortsbeschreibung des „radelnden Reporters“ (Owen Wilson), ein ausführlicher Bericht über den Meister der rauflustigen französischen Spritztechnikschule Mr. Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) und ein Porträt des berühmten Kochs des Polizeichefs, Monsieur Nescaffier (Stephen Park), in dem Nescaffier allerdings nur am Rande vorkommt, während die Entführung des kleinen Sohns des Polizeichefs und dessen spektakuläre Befreiung ausführlich verhandelt werden.
Die wilden Geschichten, obskuren Hintergrundinformationen und visuellen Ideen sprudeln nur so und sind beim einmaligen Sehen kaum zu erfassen. Zusammengehalten werden sie von einer großen Liebe für den Print-Journalismus und von einer Sehnsucht nach mutigen, integeren Männern und Frauen. Egal, ob es sich um einen Künstler, einen Koch oder studentische Revolutionär*innen handelt, oder um die Reporterin Lucinda Kremenz (Frances McDormand), die das studentische Manifest korrekturliest und mit einem umstrittenen Appendix versieht – Andersons Figuren zeigen immer Haltung und Berufsethos. Sie sind meist freundlich im Umgang, oft ausgefallen in ihrer Persönlichkeit, immer aber unverrückbar in ihren Prinzipien. Anderson träumt seine Geschichten in einem verklärten Kultur-Europa und in einer Vergangenheit, die es so nie gegeben hat. Es sind letztlich Kindergeschichten, in denen die Erwachsenen so sind, wie sie eigentlich sein sollten. Die verspielten Szenarien erzählen davon, dass Anderson sich dessen durchaus bewusst ist, und beharren dennoch darauf, die Sehnsucht wach zu halten.

Hendrike Bake

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