«Be Bold!» steht in leuchtenden Farben auf der Schaufensterscheibe - und Eva (Alexandra Gilbreath) fasst sich ein Herz. Sie hat gerade ihren ersten Bonus erhalten und kauft sich von dem Geld in der Edelboutique ein Kleid mit tiefem Dekolleté. Sie will ihren Mann inspirieren, dem nach 30 Ehejahren auch der letzte Funke an Leidenschaft abhanden gekommen ist. Um an ihrer Sehnsucht nach körperlicher Befriedigung nicht zu zerbrechen, arbeitet Eva zusätzlich zu ihrem Job bei den Londoner Verkehrsbetrieben neuerdings auch bei Art of Love, einem Unternehmen das Sextoys entwickelt. Ihre Bewertungen der einzelnen Produkte kommen bei der Geschäftsleitung und den Kund*innen super an, dabei hat die vernachlässigte Ehefrau selbst noch keines der Spielzeuge ausprobiert. Ihr um einiges jüngerer Kollege Adam (Oliver Walker) kennt sich dafür um so besser mit den Geräten aus, er ist ein erfolgreicher Influencer und das Aushängeschild des Konzerns. Als die beiden zusammen ein neues KI-gesteuertes Produkt austesten sollen, ist die Begeisterung zunächst gedämpft. Keiner hat Lust auf den anderen, bis sie sich gegenseitig eingestehen, wie einsam sie sind, und zwischen ihnen eine ehrliche, platonische Verbindung entsteht.
Das Muster von Philippe Weibels Komödie ist bekannt: Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft im Großstadtdschungel der Gegenwart. Die Londoner Straßen und Wohnungen sehen allerdings etwas zu aufpoliert, sauber und provinziell aus, um wirklich glaubwürdig zu wirken. Auch der Humor wirkt an so mancher Stelle überkonstruiert. Geschickter ist der Schweizer Regisseur bei der Wahl seiner Schauspieler gewesen. Vor allem Alexandra Gilbreath gelingt es, ihrer verzweifelt auf ein bisschen späte Romantik hoffenden Ehefrau Würde und Profil zu verleihen.

Pamela Jahn