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Sonne und Beton

Aktion, Aggression, Gegenaggression, Geblödel

David Wnendts SONNE UND BETON nach dem autofiktionalen Bestseller von Felix Lobrecht erinnert an die Filme von Danny Boyle: poppig, bunt, bei aller Härte grundsätzlich gut gelaunt und immer in Bewegung.

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Berlin, Neukölln, Gropiusstadt, Anfang des Jahrtausends. Im Fernsehen verkündet Gerhard Schröder die Agenda 2010, bei den Nokias sind ständig Akku und Guthaben leer, im Hintergrund läuft Aggro Berlin.

Von seinem Wesen her ist Lukas ein freundlicher, schüchterner Junge, aber das kann sich in der Gropiusstadt kein Jugendlicher leisten, zumal nicht, wenn er einen Freund wie Julius hat, der – nicht besonders helle, dafür aber dreist und unerschrocken - den Stress auch noch produziert. Es hätte vielleicht gereicht, einfach weiterzugehen, Richtung Park, aber Julius bleibt stehen und mackert herum, die Lage eskaliert und plötzlich prügeln sich die arabischen und türkischen Drogendealer auf der Wiese, und Lukas, Gino und Julius sind mittendrin. Als eine Art Wiedergutmachung verlangen die „Arabs“ 500 Euro von Lukas. Als rettende Lösung erscheinen die nagelneuen Computer, die Lukas‘ Problemschule im Problemkiez gerade vom Senat bekommen hat. Sie zu klauen, ist, wie sich wenig überraschend herausstellt, keine gute Idee.

David Wnendts SONNE UND BETON nach dem autofiktionalen Bestseller von Felix Lobrecht erinnert an die Filme von Danny Boyle: poppig, bunt, bei aller Härte grundsätzlich gut gelaunt und immer in Bewegung. Die Jungen – Lukas, Julius, Gino und der Neuzugang der Gruppe Sanchez, gespielt von den baldigen deutschen Schauspielstars Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Hessling und Aaron Maldonado Morales – sind immer unterwegs, auf den Grünflächen, in den Hochhausblocks, über den Dächern, während im Hintergrund die Sonne auf- oder untergeht. Sie sind auf dem Weg zur Schule, zu einer Party, die von der Polizei aufgelöst wird, als sie ankommen, oder zum Freibad. Sie sind auf Mission: Freunde abholen, vor Gegnern flüchten, Drogen organisieren, Computer verticken. Die Kamera fährt an Lukas‘ Buzzcut den Hinterkopf entlang, saust durch die Gänge des Schulgebäudes, fliegt über die Dächer, dreht sich im Kreis. Auch das Kiezdeutsch - „lass mal Gropius gehen“ - ist immer Aktion, Aggression, Gegenaggression, Geblödel.

Nach einer Weile geht einem das Rumgemackere auch auf die Nerven, aber genau das ist natürlich auch der Punkt. Es wird schnell deutlich, dass es für die Jungs eigentlich nur einen Überlebensmodus gibt, wenn sie auf der Straße unterwegs sein und nicht zum Daueropfer werden wollen. Der einzige Ausweg wäre tatsächlich, sich zurückzuziehen oder rauszukommen, aus der Gropiusstadt, aus dem toxischen Umfeld. „Der Klügere gibt nach“ wiederholt Lukas‘ Süddeutsche-lesender Vater mantramäßig, wenn sein Sohn verprügelt nach Hause kommt. Aber wie soll Lukas, der sich nie von sich aus mit anderen anlegt, das machen? Überhaupt sind die Eltern keine Hilfe. Im besten Fall stehen sie hilflos und verzweifelt am Rand wie Lukas‘ Vater und Sanchez‘ Mutter, manchmal sind sie gar nicht da wie bei Julius, und im schlimmsten Fall sind sie selbst gewalttätig wie bei Gino. Als sie Lukas‘ blaues Auge sieht, fragt ihn Sanchez‘ Mutter „Familie?“. Er winkt ab. „Na dann ist ja gut.“

19.2.: Verti Music Hall, 9:00
20.2.: UCI Gropius Passagen, 18 Uhr
21.2.: JVA Plötzensee, 17 Uhr
25.2.: Cineplex Titania, 21 Uhr / Verti Music Hall, 22 Uhr

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: Sonne & Beton – Sun and Concrete
Deutschland 2022, 119 min
Genre: Krimi, Literaturverfilmung
Regie: David Wnendt
Drehbuch: David Wnendt, Felix Lobrecht
Kamera: Jieun Yi
Schnitt: Andreas Wodraschke
Musik: Enis Rotthoff, Konstantin Djorkaeff Scherer
Verleih: Constantin Film Verleih
Darsteller: Nicole Johannhanwahr, Roland Wolf, Franziska Wulf, Jörg Rühl
FSK: 12
Kinostart: 02.03.2023

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IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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