Emily lebt in Island, macht sexy Content und verdient damit ihr Geld. Damit sie dabei nicht den steuerrechtlichen Überblick verliert, kümmert sich ihre Mutter um ihre Finanzen. Gebrauchte Unterhöschen sind schließlich nicht absetzbar. Die dünne Grenze zwischen Privatem und Geschäftlichem verwischt aber nicht nur bei steuerlichen Probleme, sondern auch bei ihrem Nebenjob im Café oder ihren Freundschaften. Da ist ihre jugendliche Kollegin Marisa, die sich nun selbst einen Sugar Daddy suchen will, oder der Partner ihrer besten Freundin, der die Sex-Talks der beiden in Anwesenheit des Babys unangemessen findet. Nur ihre offene Fernbeziehung mit der polnischen Geophysikerin Katinka scheint davon unberührt. Bis Katinka ihr eröffnet, dass sie sich für einen Job in Island bewerben will.
Regisseur Sigurður Anton Friðþjófsson blickt in die Welt einer sex-positiven Generation, die sich ihrer Lust und dem Profit, der sich daraus schlagen lässt, selbstermächtigt. Weder glorifizierend noch moralisierend, lässt er Emily ihre eigenen Entscheidungen treffen, in einem Milieu, das von der Performance lebt. Das birgt auch sehr komische Momente, wenn Emily ihren Followern ein Dick-Pic-Rating anbietet, das einer Massenabfertigung gleicht. Denn auch wenn einige Sex-Influencer*innen gutes Geld verdienen, ist es im Durchschnitt meist ein prekärer Job, der ein hohes Maß an zeitlicher und persönlicher Investition verlangt. Reichweite kommt nicht von alleine. Emily ist smart genug, das zu wissen und empathisch genug, um die Auswirkungen ihres Jobs auf ihr Umfeld und sich selbst einzuschätzen. Zwischen Mitternachtssonne und Neonlichtern zieht sich Emily aus und an, verhandelt dabei ihren Lebensentwurf neu und begegnet den Fragen, die damit einhergehen, mal trotzig, mal komisch, aber immer erfrischend aufgeräumt.

Clarissa Lempp