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Sandmädchen

Lyrikerin und Studentin

Veronika Raila, Lyrikerin und Studentin der Theologie und Literatur und von Geburt an schwer behindert, erzählt in diesem berührenden, poetischen Dokumentarfilm von ihrer Welt.

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Sie beschreibt, wie sie sich selbst als Monster wahrnahm, die Angst spüren konnte, die andere Menschen vor ihr hatten. Obwohl sie so taten, als sähen sie sie gar nicht, als wäre sie Luft. Veronika Raila, Lyrikerin und Studentin der Theologie und Literatur erzählt in poetischen Versatzstücken von der Wut, die sich in ihr sammelte, von ihren sich auflösenden Körpergrenzen, ihrer Affinität zu bestimmten Stofflichkeiten und der Wirkung, die Musik auf sie hat. Ihre Stimme muss sie sich leihen. Denn von Geburt an schwer behindert, kann sie nicht sprechen, stehen oder singen. Ihre Innenräume jedoch bergen eine Fülle von zu erschließenden Reiserouten. Begleitet von Mark Michel, dem Regisseur, mit dem sie gemeinsam das Drehbuch zu diesem berührenden Film entwickelte, lädt sie ein, diese zu bewandern.
Die Ärzte attestierten den Eltern nach der Geburt, ihre Tochter habe kein Gehirn. Jahrelang behandelte man sie auch so. Zum Glück gab es Veronikas Mutter, die sich nicht abfand, sondern anfing zu „graben“. Sie entwickelte mit ihrer Tochter ein System der Berührungen, das Kommunikation ermöglichte, Veronika einen Weg ins Außen bahnte. Die Mutter ist bis heute ihre Antenne zur Welt. In feinfühligen Beobachtungen fängt Michel, mit Hilfe der stets präsenten aber rücksichtsvollen Kamera von Ines Thomsen, auch das komplexe Verhältnis der beiden Frauen ein. Denn Vroni, wie die Mutter sie nennt, ist mittlerweile kein Kind mehr. Aber im Gegensatz zu Türen knallenden Teenagern, konnte sie sich nie abnabeln. Ihr blieb und bleibt nur die Flucht in die tiefsten Winkel ihrer Seele. Diese werden mit Zeichnungen im Sand von der Künstlerin Anne Loeper auf im besten Sinne flüchtige Weise animiert. Sand als Metapher ist für Veronika die treffende Zustandsbeschreibung: Sie ist nicht stabil. Aber sie fühlt sich als „vollwertiger Mensch“, der nur leider, wie sie es humorvoll in einem Brief an den Regisseur schreibt, das Problem habe, „nicht selbständig zum Kühlschrank zu kommen“.

Susanne Kim

Details

Deutschland 2017, 85 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Mark Michel
Drehbuch: Mark Michel, Veronika Raila
Kamera: Ines Thomsen
Schnitt: Andreas Baltschun, Mark Michel, Ed van Megen
Verleih: Filmokratie
FSK: oA
Kinostart: 18.10.2018

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