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Saint-Narcisse

Enfant terrible durch und durch

Enfant terrible durch und durch, lässt LaBruce wie gewohnt kein gesellschaftliches Tabu aus: Missbrauch unter Glaubensbrüdern, Liebe unter Geschwistern und vor allem Selbstverliebtheit spielen die eigentlichen Hauptrollen.

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Ein männlicher Schritt in Großaufnahme – eine typische Einstellung von Bruce LaBruce, wie sie auch im neusten Film SAINT NARCISSE des kanadischen Kultregisseurs nicht fehlen darf. Es folgt scheinbar ein Nostalgietrip: LaBruce begleitet den 22-jährigen Dominique auf seiner Spurensuche durch die wilden 1970er, natürlich in Ledermontur auf dem Motorrad und die Polaroidkamera immer griffbereit. Der junge Mann schießt mit großem Eifer Selbstporträts und sucht dabei nicht nur sich selbst, sondern auch einen Teil seiner Familie. Bisher ungeöffnete Briefe und ein Grabstein, der seinen Namen trägt, führen Dominique zu seiner totgeglaubten Mutter. Sie wird im Dorf nur „die Hexe“ genannt und lebt abgeschieden im Wald, zusammen mit einer auffällig jungen Frau, die nicht zu altern scheint. Und dann ist da noch der mysteriöse Schönling im benachbarten Kloster, der Dominique im wahrsten Sinne den Spiegel vorhält. Enfant terrible durch und durch, lässt LaBruce wie gewohnt kein gesellschaftliches Tabu aus: Missbrauch unter Glaubensbrüdern, Liebe unter Geschwistern und vor allem Selbstverliebtheit spielen die eigentlichen Hauptrollen. Doch genau wie in seinem Welterfolg HUSTLER WHITE, in dem LaBruce den männlichen Strich von Los Angeles messerscharf porträtiert, hantiert er auch hier mit schnellen Schnitten und skandalträchtiger Ästhetik, ohne inhaltsleer zu sein. In einer Zeit, in der Missbrauchsskandale die heile Welt der Kirche erschüttern und konservative Werte immer mehr Gegenwind bekommen, hält SAINT NARCISSE mehr bereit als verruchte Nostalgie: Es geht um freigewählte Formen von Familie, Liebe und (Gender)Identität und wie immer bei LaBruce, um einen lustvollen Umgang, der gerne ins Groteske abwandert.

Anna Hantelmann

Details

Originaltitel: Saint Narcisse
Kanada 2020, 107 min
Sprache: Englisch, Französisch
Genre: Drama
Regie: Bruce LaBruce
Drehbuch: Martin Girard, Bruce LaBruce
Kamera: Michel La Veaux
Schnitt: Hubert Hayaud
Musik: Christophe Lamarche-Ledoux
Verleih: Cinemien
Darsteller: Félix-Antoine Duval, Tania Kontoyanni, Alexandra Petrachuk, Andreas Apergis, Gabrielle Boulianne-Tremblay
FSK: 16
Kinostart: 25.11.2021

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