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Reality

Dramaturgische und politische Billanz

2017 wird die Whistle Blowerin Reality Winner verhaftet: Sie hatte eine Analyse der NSA über mögliche russische Einflussname auf die US-Präsidentschaftswahlen 2016 an das Magazin The Intercept weiter. Atemberaubender Spielfilm auf Basis der Verhörtransskripte des FBI.

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Im Juni 2017 wird die Übersetzerin und U.S. Air Force-Veteranin Reality Winner in ihrem Zuhause von FBI-Ermittlern befragt und schließlich wegen des Verdachts auf nicht autorisierte Veröffentlichung von als geheim eingestuften Dokumenten verhaftet. Die damals 26-jährige Frau hatte eine nachrichtendienstliche Analyse der NSA über mögliche russische Einflussname auf die US-Präsidentschaftswahlen 2016 an das Magazin „The Intercept“ weitergeleitet.

Bevor REALITY ein Spielfilm wurde, war der Stoff ein Stück namens „Is This a Room“, und bevor er ein Stück wurde, war er ein Dokument des FBI. Tina Satter, Regisseurin sowohl des Broadway-Dramas als auch des Films, hält sich wortgetreu an das Transkript des Verhörs vom Juni 2017. Ein sehr enges Korsett für Drehbuch und Inszenierung, das REALITY aber erst zur Entfaltung von dramaturgischer wie politischer Brisanz, inszenatorischer Tiefe und einer atemraubenden Grundspannung verhilft. Es ist die Zusammenkunft des Banalen und des enorm Bedrohlichen, die in Satters Kammerspiel zwischen Reality Winner und zwei FBI-Männern Momente des Verstörenden schafft: Wenn etwa Small Talk über CrossFit oder Hunde aus dem Tierheim und Angelegenheiten der innersten Staatssicherheit im Dialog aufeinanderstoßen, dann ist das im wahrsten Sinne des Titels und Namens der Protagonistin – Realität, unersetzbar durch Fiktion.

Getragen von einer herausragenden Performance von Sydney Sweeney als Winner, ständig zwischen militärischer Ernsthaftigkeit und unterdrückter Nervosität pendelnd, und Satters Feingefühl für die richtige Dosis bildlicher Poesie, marschiert der Debütfilm unbeirrt durch die 80 Seiten Verhörtranskript, inklusive zensierter Stellen, filmgeworden durch Glitch-Effekte. Was bleibt? Neben einer tiefgehenden Figurenstudie nichts weniger als ein tiefer Blick in das Innenleben des zeitgenössischen US-Amerikas.

Christopher Suss

Details

USA 2023, 85 min
Sprache: Englisch
Genre: Drama, Psychodrama
Regie: Tina Satter
Drehbuch: James Paul Dallas, Tina Satter
Kamera: Paul Yee
Schnitt: Ron Dulin, Jennifer Vecchiarello
Musik: Nathan Micay
Verleih: Plaion Pictures
Darsteller: Sydney Sweeney, Josh Hamilton, Marchánt Davis
Kinostart: 08.02.2024

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