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Priscilla

Zu enge Räume

Graceland, die Glamour-Projektionsfläche einer Nation, ist bei Sofia Coppola ein seelentötendes, erstickendes Gefängnis mit niedrigen Decken und zu engen Räumen.

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Beinahe Barbie: In der ersten Einstellung von Sofia Coppolas Film PRISCILLA versinkt Priscilla Beaulieu Presleys nackter Fuß fast in den weichen Teppichen von Elvis Presleys erstickend plüschiger Residenz „Graceland“.

Als Priscilla Beaulieu Presleys Autobiografie „Elvis and Me“ 1985 erschien, war Elvis noch nicht zehn Jahre tot. Der Akzent des Bestsellers lag auf dem rabaukigen Spektakel, das Elvis und seine Entourage hinter den Toren von Graceland veranstalteten, aber das Buch war auch eine Apologie. Elvis starb drei Jahre, nachdem Priscilla sich von ihm getrennt hatte. Die Gerüchteküche machte sie mit verantwortlich für den Untergang des Stars. Coppolas Film, von Priscilla Beaulieu mitproduziert, folgt der Geschichte aus „Elvis and Me“, aber mit einem ganz anderen Fokus. PRISCILLA ist die Geschichte einer Desillusionierung, einer Enttäuschung und einer tiefen Depression. Die 14-jährige Tochter einer texanischen Armeefamilie wird 1959 in Deutschland von einem Offizier angesprochen („Do you like Elvis Presley?“) und zu einer Party bei Elvis Presley eingeladen. Coppola filmt ihr erstes Treffen wie eine Begegnung mit einem Gott. Cailee Spaeny zeigt die völlige Überwältigung von Priscilla, die nicht fassen kann, dass sie im Allerheiligsten des Pophimmels angekommen ist und dessen Herrscher zu ihr spricht. Priscillas Eltern ist die Unangemessenheit der Affäre völlig bewusst, aber sie sehen keine Möglichkeit, ihre Tochter am Umgang mit Elvis zu hindern. 1963 erlauben sie Priscilla den Umzug nach Memphis, 1966 heiraten Priscilla und Elvis.

Sofia Coppolas große Kunst ist es, Atmosphären zu schaffen. Graceland, die Glamour-Projektionsfläche einer Nation, ist ein seelentötendes, erstickendes Gefängnis mit niedrigen Decken und zu engen Räumen, in denen Priscilla freud- und freundlos auf Sofas sitzt oder gelangweilt nach Orten sucht, die nicht von Elvis‘ Mutter Grace oder Vater Vernon bewacht werden. Während Elvis mit seiner Entourage unterwegs ist oder weniger exzessive als kindische Kumpelparties feiert, bleibt Priscilla ein von Elvis nach seinen Vorstellungen zugerichtetes Dekorationsobjekt. Ihre Bedürfnisse, ihr sexuelles Begehren, ihre Interessen, ihr Aussehen: alles wird von Elvis eher einfältigen als bizarren und exzentrischen Ideen und seiner biederen Doppelmoral bestimmt, Freunde und Bekanntschaften sind verboten.

Coppola geht es weniger um die Befreiung, die Priscilla letzten Endes gelingt. Ihre Trennung ist noch Teil des Films, ihre Karriere als talentierte Komikerin in den NAKED GUN-Filmen nicht. Coppola geht es um ein körperliches Gefühl. PRISCILLA ist Film wie auf Barbituraten, die Elvis schon zu Beginn der Beziehung an Priscilla verteilt. Ein Film wie ein Teppich, in dem der Fuß versinkt.

Tom Dorow

Details

USA 2023, 110 min
Genre: Drama, Biografie
Regie: Sofia Coppola
Drehbuch: Sofia Coppola
Kamera: Philippe Le Sourd
Schnitt: Sarah Flack
Verleih: Mubi
Darsteller: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Kamilla Kowal, Jorja Cadence
Kinostart: 04.01.2024

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