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Piaffe

Anthropomorphe Sinnlichkeit

Die Geräuschemacherin Eva soll ein Pferd vertonen und verliert sich zunehmend in der Erforschung und Erzeugung der Pferde-Klänge. Schließlich wächst ihr ein Schweif. Mit diesem neuen Körperteil entdeckt Eva eine neue Sinnlichkeit an sich.

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Die Schwestern Eva (Simone Bucio) und Zara (Simon(e) Jaikiriuma Paetau) leben und arbeiten zusammen. Sie sind Geräuschemacher*innen, also Foley Artists, das sind die Menschen, die Filme nachvertonen. Als Zara in einer psychiatrischen Einrichtung landet, bleibt Eva mit dem aktuellen Projekt allein zurück. Eine Werbung für Anti-Depressiva, in der ein Pferd die Hauptrolle spielt. Die introvertierte Eva schafft es nicht, den Kunden (Bjørn Melhus) zufriedenzustellen und verliert sich zunehmend in der Erforschung und Erzeugung der Pferde-Klänge. Sie studiert das Tier, ahmt es nach, wird ihm mehr und mehr ähnlich, ihre Schritte klappern, der Hals streckt sich und schließlich wächst ihr wirklich ein Schweif. Mit diesem neuen Körperteil entdeckt Eva eine neue Sinnlichkeit an sich, die sie in den dunklen Berliner Clubs und mit dem Botaniker und Farn-Fan Boy Novak (Sebastian Rudolph) auskundschaftet.

Mit PIAFFE führt die israelisch-berlinerische Künstlerin Ann Oren Motive aus ihrem Kurzfilm PASSAGE in ihrem Langfilmdebüt fort. Gedreht auf 16mm und geschmückt mit surrealen bis märchenhaften Elementen, darf sich PIAFFE wohl Kunstfilm nennen, unterhält aber durchaus. Oren spielt mit Motiven der Filmgeschichte (das Pferd, das an die frühen Bewegtbildexperimente von Muybridge erinnert) und dem Berlin-Babylon Hype (die altmodische Uniform der Stationspflegerin) und schafft mit ihren Hauptfiguren Eva und Zara eine zeitgeistige Brücke in das queere Party-Berlin. Piaffe heißt übrigens im Dressurreiten die Figur des Trabs im Stand, eine Bewegung ohne Vorwärtskommen. So geht es auch Eva, bis sie sich aus der Dressur befreit und in die Lust galoppiert. Statt dem oft üblichen Body Horror trifft bei Oren die anthropomorphe Erfahrung Evas auf Body Pleasure und macht PIAFFE zu einem spannenden und sinnlichen Filmexperiment.

Clarissa Lempp

Details

Deutschland 2022, 86 min
Genre: Phantastischer Film, Erotischer Film
Regie: Ann Oren
Drehbuch: Ann Oren, Thais Guisasola
Kamera: Carlos Vasquez
Schnitt: Ann Oren, Haim Tabakman
Verleih: Edition Salzgeber
Darsteller: Simone Bucio, Sebastian Rudolph, Don Alonso, Catherine Mayer, Bjørn Melhus, Sarah Nevada Grether
FSK: 16
Kinostart: 04.05.2023

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