Franz Rogowski ist Tomas, ein junger Independent Regisseur in Paris. In der ersten Szene sehen wir ihn, wie er mit einem Schauspieler übt, eine Treppe herunterzugehen, wieder und wieder, angespannt, perfektionistisch, 100%ig. Vielleicht ist es diese Intensität, die Agathe (Adèle Exarchopoulos) interessiert, die sich eben erst getrennt hat. Auf der Party nach der Party kommen sie zusammen, und später berichtet Tomas seinem Mann Martin (Ben Whishaw) von dieser aufregenden neuen Erfahrung: mit einer Frau zu schlafen. Der ist unbeeindruckt, „Nach jedem Filmdreh bist du so“. Aber für Tomas ist es mehr als ein One-Night-Stand. Tomas zieht bei Adèle ein, und Martin kommt mit dem Schriftsteller Amad (Erwan Kepoa Falé) zusammen, doch ihre Beziehung glimmt schon bald wieder auf.
Ira Sachs' jüngster Film ist ein Porträt einer Gruppe internationaler Künstler*innen um die 30, die äusserlich lässig und innerlich unruhig mit Lebensmodellen experimentieren. Im Zentrum dreht sich Tomas narzisstisch um sich selbst und hält dabei alle in Bewegung. PASSAGES ist ein außerordentlich physischer Film, getragen von einem großartigen Ensemble. Da ist Tomas/Rogowski, neugierig, erratisch, intensiv, mit seinen körperbetonten Netzhemden und den ausgeleierten Designerstrickpullovern. Da ist Martin/Whishaw, schlank, elegant, verletzlich und wendig. Agathe/Exarchopoulos wirkt in ihren enganliegenden Minikleidern und schweren Boots unangreifbar und souverän, aber auch gerüstet für einen Kampf. Amad/Falé bleibt am Rande, lässt sich mit seiner gelassenen, ruhigen Art, die Tomas verachtet, nicht von den Turbulenzen der drei anderen von seinem Weg abhalten. Die dagegen prallen aufeinander, lassen sich ein, stoßen einander ab, und versuchen, ein Muster zu bilden, dass passen könnte und dann doch nicht passt.

Hendrike Bake