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Papillon

Würdige Neuinterpretation

Das Remake von PAPILLON (1973), einem der eindringlichsten Gefangenenfilme aller Zeiten, bleibt erstaunlich dicht am Original und bietet eine würdige Neuinterpretation.

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Vor 45 Jahren wurde mit PAPILLON einer der eindringlichsten Gefangenenfilme überhaupt gedreht. Zudem war der Film mit Dustin Hoffman und Steve McQueen prominent und kongenial besetzt. Der dänische Regisseur Michael Noer (DER NORDWESTEN) hat sich des Stoffes angenommen um, basierend auf den Romanen „Papillon“ und „Branco“ von Henri Charrière und dem PAPILLON-Skript von 1973 (Dalton Trumbo und Lorenzo Semple Jr.), eine Neuauflage in Szene zu setzen. Das in den 1930ern angesiedelte Fluchtdrama nimmt uns mit nach Französisch-Guayana, wo der von allen nur Papillon gerufener Safeknacker (Charlie Hunnam) wegen Mordes in der Strafkolonie St. Laurent einsitzt und einen Pakt mit einem Mithäftling eingeht: dem von Rami Malek verkörperten Fälscher Louis Dega. Das Remake hat mehr mit Franklin J. Schaffners Original gemein als zunächst erwartet. Was auch daran liegt, dass Hunnam und Malek nicht nur physiognomisch ihren Vorgängern McQueen und Hoffman nahe kommen. Hunnam, der seine Affinität zu Leidensfiguren etwa in der US-Serie SONS OF ANARCHY unter Beweis stellen konnte, reicht hier in mehr als nur einer Szene an McQueens einprägsame Darstellung von ’73 heran. Auch Malek macht seine Sache ungemein gut, übertrifft mit seinem erratischen Spiel sogar momentweise Hoffmans skurrile und rührende Performance. Während Schaffner in den 70ern vor allem die sumpfig-schwitzige, menschenfeindliche Stimmung innerhalb der Kolonie betont, interessiert sich Noer stärker für die sich sukzessive zwischen Dega und Papillon entwickelnde Freundschaft. Eindringlich ist auch die vom Briten David Buckley stammende Filmmusik, die besonders im schwermütigen, von Endzeitstimmung geprägten Finale funktioniert. Beim PAPILLON des Jahres 2018 jedenfalls handelt es sich um eine, in vielerlei Hinsici Drittel verkleinern, den Zusammenhalt und die Kultur der Native American Nations zerschlagen soll, steht vor der Tür. Aber es gibt auch noch Ressentiments in der Armee, die auf Rache für die Niederlage der 7. Armee am Little Big Horn sinnt. In den Reservaten breitet sich zu dem die tragische „Ghost Dance“-Bewegung aus. In dieser komplexen Gemengelage befreundet sich Weldon mit Sitting Bull, den Michael Greyeyes mit Charme, Witz und Autorität spielt. Der Film, unter der Regie von Susanna White, die zuvor vor allem große TV-Produktionen inszenierte und nach einem Drehbuch von Stephen Knight (NO TURNING BACK), ist auch ein Kommentar zu aktuellen Themen wie dem Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline in Standing Rock, vor allem aber zeigt er ein ehrliches Bild eines der furchtbarsten Verbrechen der US-Geschichte. Es ist keine Geschichte, bis es vorbei ist, sagt Colonel Groves einmal.

Matthias von Viereck

Details

Serbien/Montenegro/Malta/USA 2017, 133 min
Genre: Drama, Biografie, Literaturverfilmung
Regie: Michael Noer
Drehbuch: Henri Charrière, Aaron Guzikowski
Verleih: Constantin Film Verleih
Darsteller: Charlie Hunnam, Rami Malek, Roland Møller
FSK: 12
Kinostart: 26.07.2018

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