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Oskar Fischinger – Musik für die Augen

Grandiose Erzählerin

Ein gelungeneres Porträt Oskar Fischingers, eines Pioniers der abstrakten Filmanimation ist kaum vorstellbar.

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Der Dokumentarfilm OSKAR FISCHINGER – MUSIK FÜR DIE AUGEN ist ein Instant-Klassiker des filmhistorischen Films. Ein gelungeneres Porträt Oskar Fischingers, eines Pioniers der abstrakten Filmanimation ist kaum vorstellbar. Regisseur Harald Pulch hat nicht nur (fast) alle Fischinger-Filme aus Filmarchiven zusammengetragen – es gibt sie auch in voller Pracht und Länge im Film zu sehen. Das größte Kapital des Films ist aber ein Interview mit Oskar Fischingers Witwe Elfriede Fischinger, das Puch 1993 führte.

Elfriede Fischinger hat alles, was Oskar gebaut, gezeichnet und gemalt hat, in ihrer Wohnung gesammelt. Ihre Erinnerung ist klar und genau, und sie kennt jeden Trick, den Oskar in seinen Filmen verwendet hat, weil sie immer an der Produktion beteiligt war. Sie ist eine grandiose, entspannte und sehr amüsante Erzählerin, und was sie erzählt, ist mehr als nur die Geschichte der künstlerischen Entwicklung eines Filmpioniers der klassischen Moderne. Es ist die Biografie eines künstlerisch produktiven Paares, dem es gelang, der eigenen Leidenschaft in schwierigsten Zeiten zu folgen und sich durchzuschlagen, mit Werbeaufträgen, mit Stipendien, mit Verträgen, die sie benötigten, aber nicht unbedingt einzuhalten gedachten („Tja, dann war der Vertrag mit Paramount kaputt“).

Fischinger, gelernter Orgelbauer und Maschinenbauingenieur, begann in den 1920er Jahren, sich mit abstraktem Film zu beschäftigen. Die fertigen Filme wurden als Werbevorfilme für verschiedenste Produkte im Kino gezeigt. Fischinger gründete seine eigene Produktionsfirma und hatte vor allem mit seinen tanzenden Zigaretten aus dem Werbefilm für die Firma Muratti kolossalen Erfolg. Die Verbindung von animierten, abstrakten Formen mit Musik war Fischingers Leidenschaft, und Elfriede erklärt sehr präzise, mit welchem Aufwand das verbunden war. Fischinger erstellte Zeitpartituren nach einer Schallplatte, nach denen die Animationen genau synchronisiert werden konnten. Er experimentierte auch mit der Animation von Objekten im Raum, so dass Kreise organisch zu wachsen und zu schrumpfen schienen. Nebenbei erfand Fischinger den Lichtton, das technische Verfahren, das über sechzig Jahre die beherrschende Tontechnik im Kino bleiben sollte und ein frühes Farbfilmverfahren. Als Idealist ließ er sich aber nie etwas patentieren.

Nachdem ein Film von Fischinger an der NS-Reichsfilmkammer vorbei auf dem Filmfestival in Venedig gezeigt worden war, mussten die Fischingers in die USA emigrieren, denn Fischingers Filme galten in Deutschland nun als „entartet“. In den USA konnte Fischinger noch das Bach-Segment in Disneys FANTASIA erschaffen und sich mit einem Guggenheim-Stipendium über Wasser halten, zog sich aber danach aus dem Filmgeschäft zurück und malte. Wer sich für die Verbindung von Musik und Bewegung im Film und/oder für die Innovationskraft der klassischen Moderne interessiert, muss OSKAR FISCHINGER gesehen haben.

Tom Dorow

Details

Deutschland 2023, 90 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Harald Pulch
Drehbuch: Harald Pulch
Kamera: Eckhardt Jansen
Schnitt: Armin Riegel, Andreas Wiedmann, Saskia Hanf
Verleih: jip Film & Verleih
Kinostart: 21.09.2023

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