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Old (2021)

Zwischen Mittelmaß und Katastrophe

Shyamalans Verfilmung des Comics "Sandurg" erfindet enie idiotische Rahmengeshcichte und entfernt jedes Mysterium aus der Geschichte, in der Menschen an einem einsamen Strand sehr schnell altern.

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Zwischen Mittelmaß und Katastrophe
Comic „Sandburg“ von Frederik Peeters (Zeichnungen) und Pierre Oscar Lévy (Szenario) ist eine atmosphärisch dichte, melancholische Geschichte, die in der ganz realen Welt angesiedelt ist, aber ein einziges Element des Übernatürlichen enthält: Alle Besucher an einem abgelegenen Strand altern sehr schnell. Die Kinder werden an einem einzigen Tag zu Teenagern, haben den ersten Sex, bekommen selbst ein Baby, sehen ihre Eltern sterben. Niemand kann den Strand verlassen. Alle sterben. Der Horror entsteht aus alltäglichen Erfahrungen des Älterwerdens: aus der Furcht, allein zu bleiben; aus dem Verlust von körperlichen und geistigen Fähigkeiten; aus dem Zurechtkommen in einem Leben, in dem alles viel zu schnell geht. An einem Tag ist man jung, dumm und sexy, am nächsten weiß man auch nicht weiter, ist aber weniger sexy. Danach ist man dann plötzlich tot, obwohl es gut noch hätte weiter gehen können, wäre man nicht alt geworden. Die Geschichte ist wie geschaffen für eine Verfilmung, für ein elegantes, subtiles Psychohorror-Drama. Die Autoren werden sich gefreut haben, dass M. Night Shyamalan, der zwar schon länger keine größeren Erfolge feiern konnte, aber mit THE SIXTH SENSE und THE VILLAGE Filme gedreht hat, die souverän mit ähnlichen leichten Verschiebungen der Perspektive auf die Realität arbeiten.
OLD, Shyamalans Adaption von „Sandburg“ ist – je nach Perspektive – leider etwas zwischen Mittelmaß und Katastrophe geworden. Zunächst erfindet Shyamalan, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch massakrierte, eine idiotische Rahmengeschichte, mit der die Geschichte zunächst jedes Mysteriums beraubt wird. Die Strandbesucher haben nicht einfach bei Shyamalan nicht nur kleine Macken (Rassismus, später Demenz), sondern diverse körperliche und geistige Defekte. Psychische Erkrankungen führen notgedrungen zu Gewalt, zu will es das Gesetz des totalverblödeten Films. Die Aufgabe der Strandbewohner ist nicht mehr, irgendwie mit ihrer Situation klarzukommen, und einen Rest von Sinn in ihrem kurzen Leben zu finden – oder eben nicht.
Vielmehr geht es darum, aus der Situation zu entkommen.

Nachdem Shyamalan mit der Auslöschung jeder Bedeutung der Geschichte soweit durch ist, galt es noch einen Film zu drehen, der in irgendeiner Weise unterhaltsam bleibt. Shyamalan inszeniert OLD dazu unter anderem als filmische Rachefantasie an Figuren, die er von vornherein denunziert. Eine sehr blonde, sehr dünne Gattin eines reichen Chirurgen ist sein bevorzugtes Opfer: sie wird – obwohl sie nichts verbrochen hat, außer sehr dünn zu sein und einer seltsamen Diät zu folgen – vor dem Tod in eine kreischende Hexe mit verbogenen Knochen verwandelt. Man kann Frauenhass subtiler inszenieren, man kann aber auch einfach draufhauen. Ihr reicher Gatte erweist sich als psychopathischer Killer, was sonst? Das sind Plot-Elemente wie Wunscherfüllungen von Twitter-Ressentiments.

Als Schlock-Entertainment, als schwachsinnige, blutig-sadistische Unterhaltung funktioniert OLD einigermaßen. Das Schauspiel kennt zwei Modi: erregt und sehr erregt. Die Kamera zappelt herum und sucht Figuren, für die sich niemand je interessiert hat. Die „Kill Scenes“ erinnern an Horror-Slasher der 80er Jahre. Manche mag das mit Nostalgie erfüllen. Mehr ist da nicht. Man kann das nur ertragen, weil man es so schnell vergessen wird,

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Old
USA 2021, 109 min
Genre: Thriller
Regie: M. Night Shyamalan
Drehbuch: M. Night Shyamalan
Kamera: Mike Gioulakis
Schnitt: Brett M. Reed
Musik: Trevor Gureckis
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Thomasin McKenzie, Rufus Sewell, Embeth Davidtz, Abbey Lee, Gael Garcia Bernal, Alex Wolff, Vicky Krieps
FSK: 16
Kinostart: 29.07.2021

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