Nach dem gewaltsamen Tod der jungen Iranerin Jina Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei verhaftet wurde, entstanden in Iran die größten Proteste seit der Islamischen Revolution 1979 – und die Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“. Die in Deutschland lebende Regisseurin Niloufar Taghizadeh porträtiert nun in einem mutigen, zum Teil heimlich gedrehten Dokumentarfilm ihre ehemalige Mitschülerin Leyla und deren sechsjährige Tochter Nila aus der Heiligen Stadt Maschhad im Iran. Nila entstammt einer sogenannten Zeitehe: Ihr Vater war bereits verheiratet, als er die kurze Ehe mit ihrer Mutter einging. In der Islamischen Republik Iran können Männer zahlreiche Zeitehen gleichzeitig führen. Rechtlich existieren Kinder wie Nila nicht, solange ihr Erzeuger sie nicht offiziell anerkennt.
Niloufar Taghizadeh begleitet Leyla, die mit dem Filmdreh viel riskiert, drei Jahre lang bei ihrem Kampf um eine Perspektive für ihre Tochter. Ohne Geburtsurkunde kann das aufgeweckte Mädchen keine Schule besuchen – und bekommt nicht die Chance, sich eine unabhängige Zukunft aufzubauen. Taghizadeh ist unmittelbar mit der Kamera dabei, wenn Leyla im Schulsekretariat der Bürokratie eines misogynen Systems trotzt oder mit ihrem Anwalt telefoniert, wenn Nilas Erzeuger Leyla am Telefon beleidigt und ihr droht, aber auch, wenn sie zu Hause ausgelassen mit ihrer kleinen Tochter tanzt. Leyla berichtet von Gewalt, die ihr Vater und ihr Bruder ihr zugefügt haben, während in TV-Aufnahmen religiöse Führer ein rückständiges Frauen- und Männerbild propagieren. Mit NILAS TRAUM IM GARTEN EDEN legt die Regisseurin ein erschütterndes, aufrüttelndes filmisches Dokument über die alltägliche Gewalt gegen Frauen im Iran vor und macht Leylas und Nilas Leid – und damit auch das vieler anderer Betroffener – sichtbar.

Stefanie Borowsky