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Multiple Schicksale

Leben mit MS

Seit Jahren schon lebt Jann Kesslers an MS erkrankte Mutter in einem Pflegeheim. In der Hoffnung mehr über die Krankheit zu erfahren, trifft der gerade erst 18-jährige Regisseur Menschen, die ebenfalls von der unheilbaren Krankheit betroffen sind.

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Es ist nicht selbstverständlich, dass einem tagtäglich beide Hände, links und rechts, in voller Funktion zur Verfügung stehen. Rainer, einer der Protagonisten dieses eindringlichen Dokumentarfilms zum Thema Multiple Sklerose zeigt, wie wenig Kraft er noch in seiner rechten Hand übrig hat. Dass bei Rainer MS diagnostiziert wurde, liegt da bereits sieben Jahre zurück. Unter den im Film Porträtierten, die mit unterschiedlich starken Verlaufsformen der chronisch entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems zu kämpfen haben, ist auch die Mutter des Regisseurs. Seit Jahren schon lebt sie in einem Pflegeheim, ist ans Bett gefesselt, kann nicht mehr reden. „Was ist das für eine Krankheit?“ fragt der erst 18 Jahre alte Sohn und Regisseur Jann Kessler zur Eröffnung des Films. „In der Hoffnung mehr darüber zu erfahren“, begibt sich Kessler mit seiner Kamera auf eine Reise durch die Schweiz. Trifft auf Luana, die auch mittels eines auf den Unterarm gestochenen Zitats von Samuel Beckett versucht, der Krankheit Paroli zu bieten; auf Bernadette, deren Diagnose schon zwei Jahrzehnte alt ist; auf die immer lächelnde Graziella, die erzählt, wie sie fast erschrickt, wenn sie mal für kurze Zeit schmerzfrei ist. Und immer wieder auch auf Rainer. Dessen Zustand sich im Verlauf der Dreharbeiten derart verschlechtert, dass er sich zum assistierten Suizid entscheidet. In einer erschütternden, bei aller Nähe mit großem Respekt eingefangenen Szene legt sich Rainer mit seinen weinenden Töchtern zum Sterben ins Bett. Unglaublich, dass dieser, für einen Achtzehnjährigen erstaunlich reife, mit der Handkamera eingefangene Film ursprünglich nur als Matura-Arbeit gedacht war (Matura ist das Schweizer Pendant zum Abi). „MS“, so heißt es lapidar am Ende der Doku, „ist bis heute nicht heilbar“.

Matthias von Viereck

Details

Originaltitel: Multiple Schicksale – Vom Kampf um den eigenen Körper
Schweiz 2016, 89 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Jann Kessler
Drehbuch: Jann Kessler
Kamera: Jann Kessler
Schnitt: Jann Kessler
Verleih: Spot on Distribution
FSK: 12
Kinostart: 15.09.2016

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