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Mon pire ennemi – My Worst Enemy

Der Filmemacher Mehran Tamadon möchte gerne auch die Menschen verstehen, die eine ganz andere Sichtweise als er selbst haben. Deswegen hat sich der atheistische, Kommunist*innensohn für seine Filme BASSIDJI (2009) mit Mitgliedern der ...

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Der Filmemacher Mehran Tamadon möchte gerne auch die Menschen verstehen, die eine ganz andere Sichtweise als er selbst haben. Deswegen hat sich der atheistische, Kommunist*innensohn für seine Filme BASSIDJI (2009) mit Mitgliedern der strengmuslimischen Paramiliz und für IRANIEN (2014) mit vier Mullahs zusammengesetzt, um zu versuchen, im Dialog eine Annäherung zu erreichen. IRANIEN wurde 2014 als Forum-Beitrag auf der Berlinale gezeigt, führte aber auch dazu, dass Tamadon im Iran festgenommen und verhört wurde und schließlich sein Pass eingezogen wurde. Seitdem in Frankreich lebend, führt er seine Annäherungsversuche weiter: Der Plan, der hinter seinem neuen Film MON PIE ENNEMI steckt, erscheint auf den ersten Blick sehr einfallsreich.
Tamadon wird mit drei weiteren Exiliraner*innen in einem verlassenen Haus eine Situation inszenieren, in sie eine Befragung durch das Regime nachgespielt wird, und die anderen jeweils die befragende Rolle einnehmen. Wie genau sie diese Rolle ausleben und ob/wie sie dabei auch Folter einsetzen, bleibt ihnen freigestellt. Dieses Experiment wird für einen Film aufgezeichnet und geschnitten, den Tamadon irgendwann versuchen will, in den Iran einzuführen. Die dabei unausweichliche Verhaftung und Sichtung des Films durch iranische Sicherheitskräfte soll den echten Folterern einen Spiegel vorhalten und sie so zum Nachdenken anregen.
Die ersten Schritte mit zwei Männern sind vielversprechend: Erfahrungen werden verglichen, Szenarien und Ansätze ausprobiert, und nebenbei werden philosophische Thesen wie „Haben Folterknechte ein Gewissen?“ diskutiert. Aber als die Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi (TEHERAN TABOO, HOLY SPIDER) die metaphorische Knute in die Hand nimmt, erreicht der Film eine ganz neue Qualität: Ihr Folterer wird niemals laut und strahlt nur eine stoische Verachtung aus, aber sie schreckt auch nicht davor zurück, den Regisseur körperlich zu quälen und zu demütigen. Vor Allem aber kommen ihre Anschuldigungen nicht nur aus einer fiktiven Rolle, sondern sie beginnt irgendwann, Tamadons Gedanken hinter seinen Filmen und dem Wunsch nach Annäherung und Verständnis mit Menschen, die selbst keinerlei Interesse an soetwas haben, zu kritisieren. Kann Kunst in solchen Situationen etwas ausrichten oder ist sie letztlich nur eine Bauchnabelschau? Die Entwicklung dieses internen Konflikts zu beobachten, ist absolut faszinierend, und erhält eine zusätzliche bedrückende Note dadurch, dass der Film fertiggestellt wurde, bevor das iranische Regime in seiner Reaktion auf die „Women. Life. Freedom“-Bewegung absolut klarstellte, wie wenig es an einem Dialog interessiert ist.

Mi 22.02. International, 11:00
Mi 22.02. Zoo Palast 5, 13:30
Mi 22.02. Cubix 5, 22:00

Christian Klose

Details

Originaltitel: Mon pire ennemi
F/CH 2023, 82 min
Regie: Mehran Tamadon
Darsteller: Zar Amir Ebrahimi

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