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Miss Holocaust Survivor

Seltsamer Schönheitswettbewerb

Jährlich findet in Haifa in einem Wohltätigkeitsheim für Holocaust-Überlebende der ungewöhnliche Schönheitswettbewerb „Miss Holocaust Survivor“ statt, ausgerichtet von evangelikalen Christen, , die Vergebung für das Handeln der Christen während des Holocaust suchen.

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Jährlich findet in Haifa in einem Wohltätigkeitsheim für Holocaust-Überlebende ein ungewöhnlicher Schönheitswettbewerb statt. Aus zwölf hochbetagten Bewohnerinnen des Heims wird die „Miss Holocaust Survivor“ gewählt. Neben den üblichen Disziplinen - Schaulaufen vor der Jury, Körperhaltung auf dem Catwalk - sollen die Kriterien auch andere sein als bei anderen Schönheitswettbewerben. Wonach letztendlich ausgewählt wird, bleibt nebulös - um die Persönlichkeit soll es gehen, darum, welche der Teilnehmerinnen trotz ihrer furchtbaren Erlebnisse die charismatischste Ausstrahlung hat; auch wer die härteste Lebensgeschichte hat, spielt eine Rolle. Die Veranstalter postulieren, es gehe ihnen darum, die Frauen zu feiern und ihnen ein Stück Weiblichkeit zurückzugeben; dass es sich dabei um evangelikale Christen handelt, die Vergebung für das Handeln der Christen während des Holocaust suchen, macht die Sache noch bizarrer.
Der Film dokumentiert die Proben und den Wettbewerb bis zum Finale. Eine Position zum Gezeigten nimmt er nicht ein, auch wenn er Kritik einfließen lässt. Meine Reaktion war häufig Irritation und das Gefühl, dass es höchst fragwürdig ist, traumatische Erlebnisse gegeneinander aufzuwiegen. Auch die 80- bis über 90-jährigen Frauen mit ihren zum Teil gebrechlichen Körpern in vorgestanzten Modelposen auf eine riesige Bühne zu schicken, wirkt eher herablassend und fast wie eine weitere Qual, die ihnen angetan wird. Auf der anderen Seite erlebt man, wie gut die Aufmerksamkeit den Teilnehmerinnen tut, wie sie Freude an der Gemeinschaft haben - die allerdings, unvermeidlich bei der Natur dieses Wettbewerbs, schnell in Konkurrenz umschlägt.
Zwei Teilnehmerinnen portraitiert der Film besonders in Interviews und in ihrem heutigen Alltag. Diesen beiden beeindruckenden Persönlichkeiten hätte ich auch ohne Schönheitswettbewerb gerne noch länger zugehört.

Susanne Stern

Details

Deutschland 2022, 90 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Radek Wegrzyn
Drehbuch: Radek Wegrzyn
Kamera: Matthias Bolliger, Ciril Tscheligi
Schnitt: Maya Steinberg, Radek Wegrzyn
Musik: Franziska Pohlmann
Verleih: farbfilm Verleih
FSK: 12
Kinostart: 09.11.2023

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