Neue Notiz
Mein wunderbares West-Berlin
Chronologie eines schwulen Sehnsuchtsorts
Westberlin als schwuler Sehnsuchtsort, Zufluchtsort, Insel und Touristenmagnet. Eine sehr persönliche, berührende Chronologie schwuler Berlin-Geschichte von den Polizeirazzien unter dem Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, bis zur AIDS-Krise in den 1980ern.
Gleich zu Beginn ein Bildergewitter aus Archivaufnahmen: West-Berlin als schwuler Sehnsuchtsort, Zufluchtsort, Insel und Touristenmagnet. Man bekommt kurz Angst, dass jetzt wieder die große Nostalgie ausbricht, aber es kommt filmisch anders in Jochen Hicks neuestem schwulen Geschichtsfilm, den er bewusst persönlich hält, eben über "sein" West-Berlin redet, und dabei dann doch eine große und sehr berührende Chronologie vor allem schwuler Männer vor, während und nach der Zeit der ersten Bewegungen entblättert.
Seine Talking Heads sind Freunde, Aktivisten, Visagisten, Modedesigner, Kulturveranstalter, Verleger, Filmschaffende und andere Prominente. Mit Panorama-Leiter Wieland Speck ziehen wir aus der ersten deutschen Schwulenkommune aus, mit Udo Walz betrinken wir uns in der Paris Bar und von Romy Haag erfahren wir, dass eine Transfrau in West-Berlin in den 1970ern eigentlich nur im Nachtleben Arbeit finden konnte.
Von den Polizeirazzien unter dem Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, bis zur AIDS-Krise wird ein großer Bogen gespannt, der äußerst informativ und dabei extrem unterhaltsam zu einem filmischen Rückblick auf ein vergangenes Berlin geschnitten wird. Es ist eine große Freude, Hicks enigmatischen Protagonist*innen zuzusehen und zuzuhören, wie sie sehr offen, oft uneitel und ohne Pathos oder Verklärung auf ihre mal schönen, mal schwierigen Zeiten in Westberlin zurückblicken. Sicher hat es mit der Nähe zum Filmemacher zu tun, dass hier Gespräche auf Augenhöhe geführt werden und manchmal sehr intime Einblicke in Privates nie den Verdacht aufkommen lassen, hier werde jemand ausgestellt. Für einen Dokumentarfilm ist das ein großer Glücksgriff, denn gerade weil die große Emotionalisierung vermieden wird, wird im Film auf sehr bewegende Art ein großes Stück Zeitgeschichte umso lebendiger.
Originaltitel: Mein wunderbares WestBerlin
Deutschland 2017, 97 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Jochen Hick
Drehbuch: Jochen Hick
Kamera: Jochen Hick, Alexander Gheorghiu
Schnitt: Thomas Keller
Verleih: Edition Salzgeber
FSK: 16
Kinostart: 29.06.2017
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