Nuri Bilge Ceylan ist einer der wichtigsten Filmemacher der Türkei. DREI AFFEN war 2008 auf der Oscar-Shortlist für Internationale Filme. 2014 erhielt WINTERSCHLAF die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes. Neben den Menschen ist auch die Landschaft Protagonistin in seinen Filmen. Dieses Mal das verschneite westliche Anatolien, in dem der Lehrer Samet seinen Pflichtdienst an einer Dorfschule leistet, bis er endlich nach Istanbul versetzt werden kann. Seine Abneigung gegenüber diesem unwirtlichen Ort hält er kaum zurück, vor allem in den Gesprächen mit seinem Kollegen und Mitbewohner Kenan. Ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt, als die beiden Singles sich für die gleiche Frau, die politische engagierte und weltoffene Nuray, interessieren. Samets Antipathie richtet sich aber nicht nur gegen das Land, sondern auch mehr und mehr gegen die Menschen, die es bewohnen. Nur die intelligente und fröhliche Schülerin Sevim scheint ihm ein Lichtblick, bis diese ihm und Kenan „unangemessenes Verhalten“ vorwirft.
Ceylans Figuren sind keine stillen Helden. Sie sitzen bei Tee in Amtstuben, kargen Häusern und zugerümpelten Schulbüros und sprechen von den großen und kleinen Dingen, die sie bewegen, witzeln und philosophieren, empören sich und verhandeln, während draußen der Schnee auf die Landschaft und die kauernden Straßenhunde fällt. Waren Ceylans frühere Werke eher sparsam mit Worten, ist das Miteinandersprechen in seinen letzten Filmen ins Zentrum gerückt. In den präzisen Dialogen von AUF TROCKENEN GRÄSERN verhandeln seine Figuren die Perspektivlosigkeit der dörflichen Jugend, Samets Träume von einem besseren Leben in der Stadt, die Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Ceylan webt so die Fäden der Politik meisterhaft in die Alltagsszenen ein.

Clarissa Lempp