Im Prinzip war Todd Phillips JOKER (2019) eine Mogelpackung. Der auf den Filmfestspielen Venedig ausgezeichnete Film nutzte zwar die Namen einiger der Charaktere aus dem Batman-Universum und bezog sich auf Ideen, die in den Comics und vor allem der Graphic Novel „The Killing Joke“ vorkamen, hatte ansonsten aber relativ wenig mit dem DC Comics Universum zu tun. Stattdessen war der Film ein packendes Porträt eines mentalen Absturzes in einem Gotham, das sich stark auf das New York der 1970er/80er, und damit auch seine filmische Darstellung in Werken wie TAXI DRIVER, KING OF COMEDY und DRILLER KILLER bezog. Der erfolglose und emotional belastete Komiker Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) zerbrach an seinem Leben und versenkte sich immer mehr in den Wahn, als „Joker“ in der Show seines Lieblingskomikers die Anerkennung zu finden, die ihm seiner Meinung nach zustand. Er erreichte eine Art Applaus, aber nicht durch Witze, sondern durch öffentlichkeitswirksame Morde, die ihn zur Symbolfigur für Unzufriedene machten, die im Finale des Films Gotham in Schutt und Asche legten.
Zu Anfang des neuen Films sitzt Arthur in der Hochsicherheitstrakt des Arkham Asylum und wartet auf seinen Prozess. Die Anklage beläuft sich auf fünf Morde und die Todesstrafe ist wahrscheinlich. Die einzige Rettung sieht seine Anwältin darin, vor Gericht zu argumentieren, dass es nicht Arthur, sondern „Joker“ war, der die Morde begangen hat, ein Konstrukt, durch das Arthur mit dem Schmerz seiner Traumata fertig werden wollte. Aber es wird kein leichter Prozess und nach Witzen ist dem chemisch ruhiggestellten Arthur momentan auch nicht. Erst bei einem Besuch in einem weniger gesichterten Flügel dringt buchstäblich Licht und Farbe in sein Leben: Bei einer Chorprobe trifft er die Patientin Lee (Lady Gaga), die etwas in ihm bewegt. Auf einmal ist Musik in seinem Leben, und das Wissen, dass er nicht mehr allein ist. Diese Hoffnung, die sich immer in Musicalsequenzen ausdrückt, gibt Arthur einen neuen Impuls, sich dem zu stellen, was er getan hat, und warum, und der Frage danach, wieviel von ihm der Joker ist und wieviel der Joker er. Lee ist ein großer Fan des Clowns und vor dem Gericht protestieren täglich geschminkte Massen für Arthurs Freispruch.

JOKER: FOLIE A DEUX ist eine weitere lohnenswerte Mogelpackung. Die Beziehung zwischen Arthur und Lee hat wenig mit der wechselhaften und nicht immer sonderlich gesunde „Romanze“ zwischen dem Joker und Harley Quinn zu tun, die sich schon durch Comics, Trickserien und drei weniger realistische Filme gezogen hat (An dieser Stelle sei nochmal auf den sehr, sehr guten BIRDS OF PREY verwiesen.). JOKER 2 ist ein psychologisches Gerichtsdrama mit Musicaleinschüben, das sich kritisch mit den selbstbeweihräuchernden Illusionen des Arthur Fleck, aber auch denen seiner Fans im Film und im Kinosaal bzw. im Internet auseinandersetzt. Die Aufstandsträume im Finale des ersten JOKERS (2018) hatten einen klaren Einfluss auf die echten Umsturzpläne der US-amerikanischen Alt Right im Januar 2021, und JOKER: FOLIE A DEUX geht auf die Dynamiken dahinter ein. Und ganz „all american“, sind die Träume von Größe und Ruhm, denen sich Arthur und Lee zusammen hingeben, inspiriert von „Musik mit Klasse“ aus der Zeit vor den Grindhouse-70ern: Lounge, Jazz und sogar ein bisschen Funk. Warum ein kleiner Komiker sein, wenn man Frank Sinatra oder Sonny & Cher sein kann? Aber was ist daran wahr und wann bricht das Kartenhaus ein? Und wie sehr sollte Arthur auf die Frauen in seinem Leben hören, und wie sehr auf seine eigene innere Stimme vertrauen, wenn er dem elektrischen Stuhl entgehen will. Die Antworten sind schwierig und der Film hinterlässt einen gemischten Eindruck, aber wenn die Schminke der angeblichen Comicverfilmung abgewischt und das Konfetti der Musicalnummer weggekehrt ist, bleibt tatsächlich ein interessantes Psychoporträt einer gespaltenen Persönlichkeit übrig, die selbst nicht genau weiß, was sie will oder ist.

Christian Klose