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Im toten Winkel

Politischer Mystery-Thriller

Politischer Mystery-Thriller: Ein deutsches Dokumentarfilmteam dreht im Nordosten der Türkei. Einer ihrer Interviewpartner verschwindet. Ein Mann beschattet das Team und wird selbst überwacht. Seine 7-jährige Tochter scheint seherische Fähigkeiten zu besitzen.

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Ein deutsches Dokumentarfilmteam will im Nordosten der Türkei ein Projekt über immaterielle Denkmäler drehen, doch der Rechtsanwalt Eyüp, der interviewt werden sollte, verschwindet plötzlich. Zafer, der für eine dubiose, angebliche Anti-Terror-Einheit arbeitet, beschattet das Team, wird aber selbst überwacht und erhält auf seinem Smartphone immer häufiger Videoaufnahmen seiner selbst, die nur wenige Augenblicke zurückliegen. Die kurdische Leyla arbeitet als Dolmetscherin für das deutsche Filmteam, und sie gibt Zafers 7-jähriger Tochter Melek Englischunterricht. Das Mädchen scheint seherische Fähigkeiten zu besitzen, was nicht nur ihrer Mutter Sibel wahnsinnige Angst einjagt.

Aus dieser Konstellation entspinnt sich ein dezidiert politischer Mystery-Thriller, der nicht nur durch die Überwachungsvideos, sondern auch durch das übergeordnete Thema eines (transgenerationellen) Traumas an Michael Hanekes CACHÉ erinnert. Traumata, so heißt es sinngemäß in einem Gespräch des Doku-Teams sind Vergangenes, das Gegenwart nicht zulässt.

In drei Teilen erzählt Ayşe Polat die verwinkelte Geschichte aus jeweils anderer Perspektive. Genutzt werden dabei unterschiedliche Medien – Film-im-Film-Material, Smartphoneaufnahmen, Bilder aus Überwachungskameras –, die immer wieder ins Bewusstsein rufen, wie subjektiv das Sehen ist. Jede Perspektive hat ihre blinden Flecke, die sich auch nur teilweise wieder auflösen, wenn die Sichtweise wechselt. Polat strukturiert und arrangiert ihren kühlen Politthriller dabei so clever, dass der vielschichtigen Story trotz der komplexen Erzählweise und den wechselnden Medienformaten immer leicht zu folgen ist. Das liegt nicht zuletzt am überzeugenden Cast. Die ausgelöste Paranoia überträgt sich von den Gesichtern der Darsteller auch auf die Zuschauer.

Bernhard Schmid

Details

Originaltitel: Im toten Winkel – In the Blind Spot
Deutschland 2023, 118 min
Genre: Thriller, Mysterie
Regie: Ayse Polat
Drehbuch: Ayse Polat
Kamera: Patrick Orth
Schnitt: Serhad Mutlu, Jörg Volkmar
Musik: Dynamedion
Verleih: missingFILMs
Darsteller: Katja Bürkle, Ahmet Varli, Çağla Yurga, Aybi Era, Maximilian Hemmersdorfer
Kinostart: 04.01.2024

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