In einem Krankenhaus, auf der onkologischen Station, treffen sich Shauna und Pierre das erste Mal. Shaunas beste Freundin liegt im Sterben, Pierre arbeitet dort als Arzt. Erst fünfzehn Jahre später kommt es zu einem Wiedersehen. Aber die starke Anziehung, die schon bei ihrer ersten Begegnung zwischen ihnen spürbar war, ist immer noch da. Das ist die Essenz, mit der Regisseurin Carine Tardieu spielt: unwiderstehliche, alles verzehrende Liebe, die sich nicht erklären lässt. Denn Pierre führt eine gute Beziehung mit Jeanne, seiner Frau. Seine fast erwachsene Tochter vertraut ihm, sein siebenjähriger Sohn braucht ihn offensichtlich. Außerdem ist Shauna bereits 70 Jahre alt und Pierre über 20 Jahre jünger. Er hat also Verpflichtungen, keine gravierenden Eheprobleme und trotzdem muss sich Pierre seiner Liebe zu Shauna ergeben.
Die Crux und gleichzeitig das schillernde Auge des Sturms ist Fanny Ardant, durch die diese Geschichte überhaupt atmet. Tardieu wählt als Love Interest keine durchschnittlich attraktive ältere Frau, sondern eine Leinwandgöttin. Und selbst Ardant als Shauna wird nicht müde, Pierre zu fragen, was er denn von ihr „alten Schachtel“ will. Diese Frage wirkt fast ketzerisch, vor allem da Shauna nicht nur unglaublich schön, sondern auch eine unabhängige, intelligente Architektin ist. Wenn es also das Anliegen Tardieus gewesen sein sollte, Liebschaften zu „normalisieren“, in denen Männer ältere Frauen begehren, dann liegt die Latte, als Frau über 70, mit Shauna/Ardant ziemlich hoch. Aber vielleicht wollte die Regisseurin diese Debatte gar nicht führen und das Genre des romantischen Liebesfilmes einfach um einen Film für/mit älteren Menschen erweitern, erzählt auf sinnliche und tiefsinnige Art, wie ein Märchen, das sich zwischen zwei schönen Menschen abspielt.

Susanne Kim