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House Of Gucci

Ganz große Oper

Ridley Scotts Verfilmung der Geschichte um das unrühmliche Ende des Familienunternehmens Gucci ist ganz große Oper.

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Ridley Scotts Verfilmung der Geschichte um das unrühmliche Ende des Familienunternehmens Gucci – heute ist kein Mitglied der Gucci-Famili mehr am weltweiten Modeimperium beteiligt – und den Auftragsmord an Maurizio Gucci (Adam Driver), beauftragt durch seine Ex-Ehefrau Patrizia Reggiani (Lady Gaga), ist ganz große Oper. Scotts Film ist irgendwo zwischen Macbeth, DER PATE und einer Gala-Titelstory angesiedelt, zwischen schriller Farce und epischer Tragödie. In der englischen Fassung trägt zu diesem etwas zwiegespaltenen Eindruck auch die verwegene Entscheidung Scotts bei, alle Darsteller*innen mit einem italienischen Akzent sprechen zu lassen. Das klingt dann mal dezent und sexy wie bei Adam Driver oder Jeremy Irons, der den Gucci-Patriarchen spielt, oder over-the-top wie bei Lady Gaga und Jared Leto, der Paolo, das schwarze Schaf der Familie, als super-erregbares Sensibelchen in schrillen Cordanzügen spielt. Eine Darstellung, die in der Presse wahlweise gefeiert oder gedisst wird – mich hat sie unangenehm an homophobe Klischees erinnert. In der gelungenen deutschen Synchronfassung wurde dankenswerterweise außer bei Leto auf den Akzent verzichtet. Sie wirkt dadurch auch einheitlicher.

HOUSE OF GUCCI beginnt als Liebesgeschichte zwischen Patrizia, munterer Tochter eines Fuhrunternehmers, und Maurizio, schüchtern wirkender Sohn des Gucci-Firmengründers und angehender Jurist. Als Patrizia auf einer Party den Namen Gucci hört, blinkt es in ihren Augen und sie lässt Maurizio danach nicht mehr los. Der lässt sich verzaubern und bricht sogar mit der Familie, um sie zu heiraten. Patrizias erstes großes Ziel ist erreicht. Nun gilt es, Maurizio den Weg zurück zu den Geldquellen zu ebnen. Wie eine Lady Macbeth macht sie sich hinter den Kulissen ans Werk. Sie bezirzt die ältere Generation, drängt Maurizio zur Versöhnung mit dem Patriarchen und intrigiert gegen Paolo. Die komplette Kontrolle über das Familienunternehmen rückt näher. Doch dann ist es auf einmal sie, die ausgebootet wird. Während Maurizio, der sich mittlerweile mit dem Macht-und-Geld-Haben angefreundet hat, mit einer neuen, stilvolleren Frau an seiner Seite die Neuerfindung des Modeimperiums angeht, sinnt sie gemeinsam mit ihrer Wahrsagerin (Salma Hayek) auf Rache.

Lady Gaga als Patrizia ist gebündelte, zielgerichtete Energie, und sie hat dabei so viel Drive, dass sie auch irgendwie Sympathieträgerin ist. Adam Driver kriegt perfekt die Kurve vom schlaksigen Möchtegern-Studenten zum autokratischen Firmenboss. Al Pacino als Onkel Aldo ist der einzige des Clans, der ein Herz zu haben scheint. Ridley Scott inszeniert die schäbige Familiengeschichte um Gier, Neid und Rachsucht mit größtmöglicher Opulenz und in der gewohnten Hochglanzoptik. Ein Oscar für Ausstattung und Kostüm scheint sicher. Allein der Schneeanzug und die Sonnenbrillen von Lady Gaga! Jedes Detail und jede Szene ist top inszeniert, von der Choreografie der Fahrzeuge bis hin zu einem Weihnachstfest das von Douglas Sirk sein könnte - aber dennoch berührt das alles nur wenig. Zwischendrin, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Maurizio vor der italienischen Polizei mit dem Motorrad in die Schweiz flüchtet, kurz bevor sich der Fokus vom Ehedrama auf Aufstieg und Fall der Marke Gucci verschiebt, stellt sich kurz die Frage ein: Wofür der ganze Aufwand? Warum sollen mich diese Leute und ihre Dramen interessieren? Dann zieht einen das Spektakel wieder in den Bann.

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: House of Gucci
USA 2021, 158 min
Sprache: Englisch
Genre: Familiengeschichte, Thriller, Biografie
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Roberto Bentivegna
Kamera: Dariusz Wolski
Schnitt: Claire Simpson
Musik: Harry Gregson-Williams
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Lady Gaga, Adam Driver, Jared Leto, Al Pacino, Jeremy Irons, Jack Huston
FSK: 12
Kinostart: 02.12.2021

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